Heiter. Weiter.
„Laden/Supermarkt“ erwartet niemand ein Riesenangebot, aber Mineralwasser und Toilettenpapier. Doch es kann sich dabei auch um einen einfachen Stand an einem Bauernhof handeln. Das Geschäft besteht aus einer Kassette fürs Geld und einem Kasten mit Obst, beispielsweise Pfirsich - sofern aufgefüllt wurde. Durstige haben Pech. „Pèche“ bedeutet „Pfirsich“.
Gut ist auch der gelbe „Outdoor-Wanderführer“. Hinweise wie „nach 250 m abbiegen“, lassen die Mitnahme eines Maßbandes sinnvoll erscheinen. Im Grunde benötigt man auf der „Via Podiensis“, der Verbindung von Le Puy nach St.-Jean-Pied-de-Port, keinen Wanderführer, der Weg ist gut markiert. Versagt die Markierung, bringt auch der Helfer aus Papier den Pilger nicht auf den rechten Weg. Man findet im Buch Interessantes zu Geschichte und Landschaft, erfährt vom Vorhandensein von Unterkunft und vom „Laden/Supermarkt“. Der Outdoor-Autor rät, keine Lebensmittel in das auf einem Berg gelegene Lauzerte zu schleppen, oben gäbe es Läden. Berg bedeutet übrigens in der hier noch gesprochenen alten Sprache Okzitanisch „Pech“. Wanderer bestätigen das gerne. Ich übernachte unten, auf dem Campingplatz im Tal. Zur Ortsbesichtigung mache ich mich aber dann später doch hinauf, ärgere mich über die Touristen-Kneipen und buche in der Tourist-Information eine Übernachtung für übermorgen.
Meine Zeltnachbarn, ein belgisches Pilgerpaar, laden mich ins Restaurant ein: Er ist heute sechzig geworden. Mir ist das zunächst unangenehm, fällt es mir doch schwer, etwas anzunehmen, wenn ich nichts zurückgeben kann. Auf dem Weg lernt man nicht nur das Geben, sondern auch das freudige Nehmen.
Im legendären Henninger Stüberl lag mir die Welt zu Füßen
Als ich den Campingplatz in Lauzerte verlasse, meint der Geburtstags-Belgier: „Es soll heiß werden. Und für den Abend ist Unwetter gemeldet!“ Pferde stehen im schattigen, kühlen Eichenhain. Sie schütteln ihren Kopf, als sie mich durch die Hitze traben sehen. Kühe auf der Weide sind froh, einige lästige Schmeißfliegen an mich abgeben zu dürfen. Bei diesen Temperaturen wird jeder Kilometer zur Qual. Den Feldweg zu verlassen, um auf der Straße abzukürzen, ist nicht ratsam: Der Asphalt ist am Kochen. Ich begebe mich in Tagträumereien. Habe ich Hunger, denke ich mir deftige Gerichte aus, doch heute kreiere ich im heißen Hirn saure Sorbets.
In Durfort-Lacapelette möchte ich im Schatten der Schule ausruhen, ein Viertelstündchen nur. Es werden zwei Stunden Tiefschlaf daraus. Die Hitze macht mir zu schaffen. Am Nachmittag führt der Weg dann angenehm durch einen Wald, schattig und kühl. Am Ortseingang von Moissac tröstet ein Schild: „1.113 km bis Santiago de Compostela“. Bereits der Marsch in die Stadt hinein erscheint mir endlos. Unterwegs erfahre ich, dass der Campingplatz fünf Kilometer außerhalb liegt. Diese Extrakilometer und das gemeldete Unwetter lassen in mir den Entschluss reifen, in der Stadt in einer Gîte zu übernachten. Die Gîte heißt „Ultreja“ und befindet sich in Bahnhofsnähe. Die Besitzer der modernen Herberge sind Iren. Sie sitzen mit ihren Gästen im Garten beim Abendessen. Dafür bin ich zu spät gekommen. Da sich das Unwetter verzogen hat, steht meinem Bummel ins Stadtzentrum nichts im Wege. Es ist Montag und nichts los. Das ist in vielen deutschen Kneipen nicht anders.
Ich war einmal Wirt im legendären „Henninger Stüberl“, achtzehn lange Monate. Doch auch diese Episode hat ihren Sinn gehabt: Eines nachts , beim Aufräumen, fischte ich unter einer Sitzbank eine Zeitung hervor. Ich wollte sie zum Altpapier geben, da fiel mein Auge auf einen Artikel. Im Reiseteil wurde über einen uralten Pilgerpfad im Norden Spaniens berichtet. Ich hatte davon nie gehört, war aber sofort elektrisiert: Da musst du hin! Es war die „Welt“, die mir da zu Füßen lag.
Das berühmte Tympanon über dem Portal der Abtei Saint-Pierre in Moissac ist auch jetzt im Abendlicht betrachtenswert. Der Kreuzgang ist verschlossen. Schade. Ich erinnere mich noch an die Atmosphäre während meines Besuchs vor vier Jahren.
Im feinen Restaurant neben der Kathedrale wird gespeist. Das ist mir zu teuer, ich möchte nicht den Etat mehrerer Tage verbraten. „Ist der Beutel voller Geld, kommst du leicht durch die Welt.“ Wenige Häuser weiter werden Pizzas gebacken, die möchte ich nicht. „Wenn dir das nicht passt, Pilger, dann musst du eben hungrig zu Bett.“ Ich freue mich auf
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