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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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ist nicht zu denken. Werden sich die Beschwerden nach den Ruhetagen auf und davon gemacht haben? Und wenn der Fuß doch gebrochen ist? Bruchrechnung.
    Großer Andrang vor dem Pilgerbüro: Professionell wird die Schlange abgearbeitet. Mehrere mehrsprachige Pilgerberater nennen Herbergen, mahnen gutes Schuhwerk an, stellen Ausweise aus, drücken Stempel in selbige, wissen vieles. Das geht so in der Rue de la Citadelle Nummer 39, mit Pausen, von morgens halb acht bis nachts um zehn - in der Hauptsaison.
    In der Hauptsaison kann es eng werden für Pilger, die keine Unterkunft reserviert haben. Das Schild vor der Gîte ,,L’Esprit du Chemin“ in der Rue de la Citadelle Nummer 40 ist mehrsprachig eindeutig: „Sorry full, voll, vol, complet, occupado!“ Kein Platz mehr. Die freundliche Herberge hat den Zulauf verdient, ich durfte bei Huberta und Arno, den hilfsbereiten Besitzern, schon übernachten.
    Immer neue Pilgerschübe schafft die Bahn herbei. Mit Elan machen sich die Neuankömmlinge auf und davon, traurig habe ich das Nachsehen. Zum Wandern schmerzt es zu stark, zum Wandeln regnet es zu stark. Die Ansichtskarte, mit der ich von Spanien grüßen wollte, schreibe ich schon jetzt. Sicherheitshalber. Viel muss ich nicht schreiben: In der Karte ist ein Loch in Form einer Fußsohle eingestanzt. Soll wohl der Fuß aus Saint-Jean-Pied-de-Port sein, der „Heilige Johann am Fuß des Passes“.
    Es beginnt zu schütten. Mir bleibt die Freude auf das Abendessen. Der Ort ist geprägt durch Tagestouristen: Urlauber, die ihre Ferien am nahen Meer verbringen, aber auch die Berge sehen möchten. Doch außerhalb der Stadtmauer in Richtung Bahnhof muss für das Essen nicht zu viel auf den weißeingedeckten Tisch gelegt werden. Im „Kalaka“ am Place Trinquet verspeise ich einen roten Gemüsepaprika, mit Kabeljau gefüllt und umringt von kleinen roten Paprikaschoten.

Eine schweinische Fotografie und mein Besuch in der „Paris-Bar”

    Trommelwirbel reißt mich aus trüben Gedanken. Saint-Jean-Pied-de-Port feiert ab heute ein mehrtägiges Fest. Das Trommelgeklapper entsteht durch Schlagen und Klopfen mit Kochlöffeln auf winzige Holzfässchen. Die Holzfässchen haben sich Musikanten umgeschnallt, auch kleine Pfannen baumeln am Gurt. Die Spielleute sind gekleidet im weißen Dress der Köche und Bäcker. Weiße Mütze auf dem Kopf, kariertes Geschirrtuch um den Hals - Frauen und Männer marschieren in Truppenstärke durch die Straßen. Sie erinnern daran, dass es die frühaufgestandenen Bäcker und Köche waren, die einst die Bürger ihrer Stadt vor einem feindlichen Angriff warnten. Die Musiker kommen nicht aus St. Jean, ich glaube aus Biarritz. Ich muss viel Wichtigeres klären: Wo praktiziert im Ort ein Arzt?
    Trotz Ruhetag haben die Schmerzen statt nachzulassen noch zugenommen. Im Pilgerbüro frage ich nach einem Arzt. Docteur José Mari Setoain wirkt im „Cabinet Médical“ in der Avenue Renaud 25. Hier möchte ich meine frisch gewaschenen Füße in den besten Wandersocken vorführen. Doch heute ist nichts zu machen, ich bekomme einen Termin für morgen.
    Ich entdecke in der gleichen Avenue, zwischen Docteur und Bahnhof gelegen, die „Paris-Bar“ - benannt nach dem Besitzer Pierre Paris. Ich bin der einzige Fremde unter den Einheimischen. Endlich eine ganz normale Bar, nur ein Tourist hat sich hierher verirrt. Hier stehen sogar fußschonende Barhocker. Meine Baskisch-Kenntnisse kann ich bei der Frau hinterm Tresen an den Mann bringen. Auf der Theke liegt die Zeitung mit dem morgigen Wetterbericht. Doch was interessiert mich noch das Wetter in den Pyrenäen? So kann es einem gehen, der nicht mehr gehen kann. Nachdenklich beobachte ich die aus dem Bahnhof strömenden Fahrgäste.
    Immer neue Pilger-Schübe schafft die Bahn herbei. Mit Elan machen sich die Neuankömmlinge auf und davon, traurig bleibt mir das Nachsehen, wie die Pilger gesund und fit mit weit ausholendem Schritt gen Santiago schreiten. Ein kleiner Eindruck, wie sich ein Gehbehinderter fühlt. In der Stadt wuseln Besucher umher. Von Lokal zu Lokal ziehen Musikanten. Vor einem Laden hängen Schinken, Würste - und ein Bild vom verwursteten Schwein, farbig das Foto, schwarzweiß das Schwein. Gemein. Nachts kann ich im Halbschlaf den starken Harndrang, der noch durch das Wolkenbruch-Geprassel verstärkt wird, nicht mehr verdrängen. Insassen von Wohnmobil und Caravan haben es da leichter, sie erleichtern sich auf dem Bord-WC. Wir Camper müssen die Sanitärräume

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