Heiter. Weiter.
herbeizutragen, die zu Nägeln verarbeitet wurden. Wir sitzen in der Küche. Auf dem Tisch ein Foto vom toten Gemahl, die Reste vom gestrigen Mahl daneben.
Lichos ist der erste Ort im französischen Baskenland. Wer das nicht weiß, erkennt das am Ortsschild, zweisprachig in Französisch und Baskisch, der ältesten gesprochenen Sprache Europas. Mein Ziel war der Bauernhof Behoteguya. Hier übernachtet man schlicht, wird aber mit üppigem Essen verwöhnt. Ich hatte versucht, zu reservieren, doch die Gîte war auf Tage ausgebucht, Zelten nicht möglich.
Also weiter. An einer „Palombière“, eine hochsitzartige Vorrichtung zum Taubenfang, führt der Weg vorbei zu einer kleinen Konservenfabrik. Die bietet Dach, Bank, Tisch sowie Pasteten in Dosen zur Selbstbedienung. Ich entscheide mich für „Geflügel in Armagnac“. Da es vorzüglich schmeckt und es im Übernachtungsort weder Laden noch Restaurant geben soll, probiere ich auch die „Pâté Basque au piment d'Espelette“. Ich lege den erhofften Betrag in die Büchse.
Die Hospitalera in Aroue hat in Kühl- und Küchenschränken der einfachen, aber gemütlichen Herberge ein üppiges Warenlager angelegt. Ich erfahre: „Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Kommune verloren: Priester, Post, Laden, zwei Cafés, Kiosk, Sägewerk, Schreinerei, Schmied.“
Monsieur, ein feiner, älterer Herr arbeitet in einer Bank und sieht auch so aus. Er steht kurz vor seiner Pension, sitzt aber momentan neben seiner Gattin. Er möchte unbedingt nach Santiago pilgern. Bis zur Rente will er nicht warten. Er weiß nicht, ob seine restliche Lebenszeit dann noch ausreicht. Deshalb wandert er in seinem Jahresurlaub schon einige Etappen. Seine liebe Frau unterstützt ihn bei dem Vorhaben, ist mitgekommen. Die Kinder und Enkelkinder jedoch waren entsetzt, als sie von dem Plan der Alten erfuhren. Sie wollten den beiden zum Abschied vom Berufsleben eine Reise nach Reunion schenken. Und jetzt Compostela! Die Gattin lacht: „Als ich zu Hause in Lille angerufen habe und erzählte, wir schliefen in den Herbergen manchmal zu acht im Raum, Frauen und Männer zusammen, da wollten die es nicht glauben. Aber wir finden das großartig.“ Sie freut sich, Pilger aus verschiedenen Ländern zu treffen. Untereinander werden Adressen ausgetauscht und Fotos von den Kleinen herumgereicht. Klar, zu Weihnachten gibt es Kartengrüße. Aber auf dem Weg entstehen auch Freundschaften, die länger andauern. Für die restliche Lebenszeit.
Rendezvous von Via Turonensis, Via Podensis und Via Lemovicencis
Zwischen dem dramatischen Sonnenuntergang vor Pyrenäenkulisse und dem frühnebelverzauberten Morgen lag eine Nacht schlimmster Schmerzen. Vor Qual streckte ich mein Bein aus dem Zelt, um im kühlen Tau mir Linderung zu verschaffen. Werde ich denn überhaupt nach Santiago kommen? Sorgenvoll verlasse ich Aroue. Weiler und Höfe, Weiden und Hügel bieten dem Wanderer einen abwechslungsreichen Weg. Hier treffen sich drei der vier durch Frankreich führenden Jakobswege: Via Turonensis kommend von Tour und Paris, Via Lemovicencis von Vezelay und unser Weg, der ab Le Puy-en-le-Velay als Via Podensis bezeichnet wird.
Ich humpele auf einer Wegvariante. Gekennzeichnet mit einer Schnecke, ihr Haus ist als Muschel dargestellt, führt sie mich Wanderschnecke nach Uhart-Mixe. Die Wirtin in Restaurant und Herberge „Duhalde Ostatua“ ist ausgesprochen lieb, ich gönne ihr jeden Gast. Sie frischt meine bescheidenen Baskisch-Kenntnisse auf.
Vor Ostabat zeigt sich das Bilderbuchpanorama der Pyrenäen. Im erstbesten Lokal ist mir zuviel Pilger-Trubel, in der zweiten Bar kann ich in aller Stille ein belegtes Brot verzehren und meinen sorgenvollen Gedanken nachgehen. Außer mir ist nur Ruhe eingekehrt. Eine Weile. Dann kommt einer rein, sucht das Blasen-Gespräch mit mir. „Statt Hirschtalgcreme nehme ich Eutercreme. Von Raiffeisen. Was machst Du gegen Blasen?“ „Ich trinke Blasentee.“ Er geht bald.
Ostabat war einst bedeutende Station mit mehreren Herbergen auf dem Weg nach Santiago. Bedeutend für mich ist der Bauernhof Gaineko Etxea. Hier hatte ich beim letzten Mal übernachtet und Gastfreundschaft erlebt. Großzügig füllte man Gläser und Teller mit hausgemachten Köstlichkeiten. Zum Dessert sang der Hausherr baskische Lieder. Werde ich ein Bett finden? Überraschung! Ein neuer Gebäudetrakt wurde angebaut, der an eine moderne Stallanlage erinnert. Bei der enormen Größe ist es kein Wunder, dass jeder Pilger
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