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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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Gefährten gleich zu Beginn kennen gelernt zu haben. Nett ist er auch, die ähnliche Wellenlänge. Doch der Gefährte geht nach Roncesvalles in einem Stück. Man will mit, ist überrascht, wie schnell Orisson zu erreichen ist. Was wird jetzt aus der Anzahlung? Die „Problemlösung Orisson“ schafft auch neue Probleme. Wie reservieren? Sprechen die Deutsch? Wie bezahlen? Kann ich stornieren? Um wieviel Uhr muss ich da sein? Was ist, wenn mein Zug, und damit auch ich, Verspätung hat? Keine Bange - der Jakobsweg wird Ängste und Sorgen nehmen.

Beginn und Neubeginn

    Den Jakobsweg kann man nicht bis ins Detail planen. Er hält so manche Überraschung bereit, aber auch überraschende Lösungen. Der Jakobsweg nimmt Befürchtungen. Der Pilger wird selbstbewusster zurückkommen.

    Ich mache mich nicht verrückt. Vor allem ist mir bewusst geworden, wie töricht mein angestrebtes Wachstum hinsichtlich der Wanderstrecke war. „Wachstum“ scheint der Götze der Gesellschaft geworden zu sein. Als Pilger muss man Acht geben, nicht auch diesem Wahn zu erliegen: Mehr Kilometer, größere Etappen, schnellere Schritte, weniger Rucksackgewicht, spirituelle Steigerungen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz funktioniert nicht auf dem Jakobsweg - wenn überhaupt wo. Kein Baum wächst in den Himmel, kein Mensch lebt ewig. Weniger ist mehr!

Staub, Schlamm, Sonne und Regen
    das ist der Weg nach Santiago.
    Tausende von Pilgern und mehr als tausend Jahre.

    Wer ruft dich, Pilger?
    Welch geheime Macht lockt dich an?
    Weder ist es der Sternenhimmel
    noch sind es die großen Kathedralen.

    Weder die Tapferkeit Navarras
    noch der Rioja-Wein,
    nicht die Meeresfrüchte Galiziens
    und auch nicht die Felder Kastiliens.

    Pilger, wer ruft dich?
    Welch geheime Macht lockt dich an?
    Weder sind es die Leute unterwegs
    noch sind es die alten Traditionen.

    Weder Kultur und Geschichte
    noch der Hahn Santo Domingos,
    weder der Palast von Gaudi
    und nicht das Schloss Ponferradas.

    All dies sehe ich im Vorbeigehen
    und dies zu sehen ist Genuss.
    Doch die Stimme die mich ruft
    fühle ich viel tiefer in mir.

    Die Kraft, die mich vorantreibt,
    die Macht, die mich anlockt –
    auch ich kann sie mir nicht erklären.
    Das kann nur Er dort oben!
    ___________________________
    Am Jakobusweg zwischen Ventosa und Azofra ist dieser Text auf einer Mauer geschrieben zu finden.

Eskerrik asko -vielen Dank für den Wein, den Weg und den Tag

    „Eine schnurgrade, grüne Allee führt auf die Berge zu“ - so beschreibt Kurt Tucholsky einen Pyrenäenweg. Nach Saint-Jean-Pied-de-Port windet sich der Weg aufwärts: Höher und höher und höher. Auf dem Asphaltpfad gibt es kein Vertun, selten lockt eine Abzweigung mit einem Irrweg. Sommerliches Wetter: Nicht zu heiß, sonniges, sattes Grün. Maulwürfe haben Häufchen gemacht, kleine Hügelketten. In der Ferne leuchten Bergketten, schneebedeckt. Glocken am Hals von Kuh, Schwein, Pferd klingen beruhigend. Auch für die Tiere? Beunruhigend: mein Fuß. Hält er, was er mir auf den ersten Kilometern versprochen hat? Auch beim Abstieg?
    Ich raste in Orisson. Den schwarzen Schinken gibt es nicht mehr. Käse und Chorizo sind nicht als „Ration“ erhältlich, nur als Belag auf vorgefertigtem Sandwich. Auf der Terrasse genieße ich Ausblick, Rotwein und belegtes Brot für zusammen fünf Euro. Tucholsky über die Basken: „Sie essen nicht schlecht. Sie trinken einen kräftigen, etwas säuerlichen Wein.“
    Weiter windet sich der Weg den Wolken zu. Dann biegen die Wanderer rechts ab, verlassen den Asphalt. Der höchste Punkt ist erreicht. Ein Brunnen am Waldweg - und, endlich, Spanien! Die Freude ist groß, als die Pilger unten im Tal die Herberge von Roncesvalles entdecken. Für die meisten ist hier das Ende der ersten Etappe auf ihrem Jakobusweg nach Santiago de Compostela.
    Im „La Posada“ versammeln sich die Hungrigen zum Abendessen. Auf dem Tisch, wie immer, gebratene Forellen. Am Tisch eine Dame. Sie sei eine weit gereiste Witwe. Sie will sich wieder so fühlen, wie vor ihrer Heirat. Solo und sechsundzwanzig. Sie ist verwundert, dass es keine Auswahl gibt, hatte ihr doch die ausgehängte Speisekarte einiges versprochen. Jetzt muss sie erfahren, dass es sich dabei um die Abendkarte handelt, sie sich aber für das Pilgermenü für neun Euro entschieden hatte. Die Weitgereiste lässt die Pommes zurückgehen: zu viel Salz. Als die Pommes nach längerer Rundreise erneut vor der Verjüngten ankommen, verlangt diese nach einem

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