Heiter. Weiter.
Wirt den Wein panscht und welche Herberge lausig ist. Heute kann so eine Kommunikation nicht mehr stattfinden. Die Pilger sind froh, Unterkunft und Verpflegung gefunden zu haben - am nächsten Tag ziehen sie weiter. Da ist es einigen Wirten am Weg gleich, ob ihr Gast zufrieden war oder nicht.
Die wirklich einzige schlechte Erfahrung hatte ich auf meiner ersten Wanderung in Larrasoana gemacht. Hier gibt es nur ein Lokal, hier muss der Pilger essen. Es war der unfreundlichste Laden am Weg. Vielleicht hatte der Wirt nur einen schlechten Tag gehabt. Oder ich. Aber auch in diesem Jahr berichten Pilger über die miese Behandlung in der miesen Herberge.
In Pamplona übernachte ich in der liebenswerten Herberge „Casa Paderborn“, betrieben von Pilgern aus der gleichnamigen Stadt. In der Altstadt erstehe ich ein Souvenir: eine „Boina“, baskisch „Txapela“, eine Baskenmütze. Aber nicht im Souvenirladen, sondern eine echte für 16,25 Euro. Nachdem ich nun etwas auf dem Kopf habe, brauche ich etwas in den Magen. Viele kleine Ess-Bares machen die Auswahl schwer. Lecker sind die Tapas im „Meson Nabarreria“. Im Stehen isst man gut im „Mejillonera“ in der Calle de la Navarreria. Zum Abschluss gönne ich mir ein Gläschen Pacharan, den baskischen Likör aus Schlehen und Anis.
Die Stadt und das Fest „Saint Fermin“ sind bekannt geworden durch den Roman „Fiesta“ von Hemingway. Stierkampf mag ich nicht. So geht es den meisten Pilgern. Ich frage mich aber, wer es besser hat: Der spanische Stier, der sein Leben auf der Wiese verbringt und dann ein schreckliches Ende findet, oder ein deutsches Rindvieh, das unter schrecklichen Bedingungen in der Mästerei aufwächst und dann im Schlachthof unter angeblich humanen Bedingungen endet.
Der Jakobsweg ist eine Brücke, die auch Menschen verbindet
Ein Pilger darf immer nur eine Nacht in einer Herberge verbringen - es sei denn, er ist krank. Beendet er aber heute den Wandertag bereits in dem nur wenige Kilometer von Pamplona entfernten Ort Cizur Menor, hätte er noch einen zweiten Tag Zeit für die Besichtigung Pamplonas. Doch ich bleibe hier nur zum Frühstück. Aufstieg. Es regnet nicht, doch dunkle Wolken künden Ungutes. Es ist kalt! Weiter dem Berg hinauf. Von fern schon sind Windräder erkennbar. Einige wettern über die riesigen Rotorenblätter, die die Landschaft verschandeln. Schimpfen die auch über Wüsten aus Beton und Asphalt? Abstieg. Sonne, wollige Wanderwärme. Der Jakobsweg windet sich wie ein ockerbraunes Band durch ein grünes Meer aus Getreidehalmen, in das der Wind silberne Muster weht. Im gelben Lehmboden sind die Profile unzähliger Wandersohlen abgedrückt. Hätten die wappenförmigen Absätze die Form des Muschelzeichens, dann würde jeder Schritt zum Wegweiser für die Nachfolgenden. Ist er auch so. Die Temperatur steigt an. Vorbei an Mandel- und Olivenbäumen, Spargelfeldern, Weinreben, Artischocken und wildem Thymian marschieren wir, Schritt für Schritt. Es ist warm, es ist Sommer. Welch Freude!
In Muruzábal ist Zeit für ein Bier im Restaurant „Los Nogales“. Es macht einen guten Eindruck - hier lohnte es, eine Mahlzeit einzunehmen. Aber ich will weiter. Einsam in Feldern eingebettet steht die geheimnisumwitterte, achteckige Ermita von Eunate. Ob sie Gotteshaus der Templer oder Begräbniskirche für Pilger war, ist umstritten. Unstrittig ist die besondere Stimmung im und vor dem bemerkenswerten Gebäude. Für mich ist die Kirche Santa Maria von Eunate ein Höhepunkt auf meiner Wanderung - ähnlich wie Conques oder Saint-Cirq-Lapopie in Frankreich.
„Es wird Nacht, Senorita, und ich hab kein Quartier. Nimm mich mit in dein Häuschen, ich will gar nichts von dir. Etwas Ruhe, vielleicht, ich bin müde vom Wandern.“ Doch der Pilger findet Aufnahme in der Pilgerherberge. In Puente la Reina bieten mehrere Herbergen Schlafplätze an. Ich übernachte in der Herberge „Santiago Apóstol“, einem Riesenkasten mit Pool und Bar, etwa einen halben Kilometer außerhalb. Speisen gibt es hier auch, doch ich gehe zum Essen lieber noch mal in die Stadt - über die berühmte Brücke „Puente la Reina“. Der Jakobsweg selbst ist eine Brücke: Eine Brücke zwischen dem Startort und der Kathedrale in Santiago, aber auch eine Brücke zwischen unserem Leben vor und nach der Erfahrung „Camino“. Und er wird zur Brücke zwischen den Menschen, die auf ihm wandern. Wer alleine wandert, fühlt sich nicht einsam. Wer alleine wandert und mit sich
Weitere Kostenlose Bücher