Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
Vom Netzwerk:
Herberge wartet mit Pilgermenü I und II auf Gäste. Viel Zeit bleibt nicht, die Herberge schließt um 22 Uhr. Im Schlafsaal ist es bereits dunkel, die ersten schnarchen. Die Spätheimkehrer tasten sich zum Bett, kriechen in den Schlafsack, lassen den Tag an sich vorbei wandern und schlafen selig ein. So weit bin ich heute noch nicht, ich muss nach Los Arcos. Der Weg ist geschmückt mit rotem Mohn, blauen Königskerzen und gelbem Ginster. Gänseblümchen-Wiesen. Überall auch weiße Tupfer anderer Art: Von erleichterten Pilgern weggeworfene, nicht nur für die Nase genutzte Papiertaschentüchern. Spezialität von Los Arcos sind Spargelkonserven. In Läden werden Gläser mit Spargel unterschiedlichster Formate angeboten. Manche Dosen beinhalten ein einziges Exemplar - in Vibratorgröße. Vor der Herberge steht ein Automat mit Pilgermuscheln. Empfehlenswert ist das Restaurant „Suetxe“ in der ersten Etage der Carramendovia 3. In der Nähe finden sich absackergeeignete kleine Lokale, in denen Einheimische sich die Zeit vertreiben. Am Tisch im „Club Jubilados“ riskieren die Señoras einen bescheidenen Einsatz beim Kartenspiel und an der Theke riskieren die Señores einen bescheidenen Einblick in den Ausschnitt von Jolanda, der Barfrau.

Templer, Stempler und einige recht liebenswerte ältere Damen

    Los Arcos war der letzte Übernachtungsort auf meiner Wanderung durch das Baskenland. Frühstück? Wichtig ist mir in Torres del Rio der Besuch in der Heilig-Grab-Kirche. Bei meinem letzten Besuch war sie verschlossen. Wir fragten uns durch zur Beschließerin, die öffnete. Eine Münze für das Aufschließen wollte sie nicht annehmen. Beim Hinausgehen bot sie aber einen Stempelabdruck in den Pilgerausweis an - für einen Euro. Das machten wir gerne. Himmlische und irdische Richter drücken da gnädig ihre Augen zu.
    Die Kirche ist geöffnet! Innen sitzt eine Dame, die den Eintretenden kurz mustert und ihm dann in seiner Sprache ein Faltblatt überreicht, sofern sie seine Herkunft richtig eingeschätzt hatte. Und sie kassiert Eintritt.
    Das Gotteshaus hat stets die Phantasie der Besucher angeregt: Kirche der Templer? Leuchtturm für Pilger? Die achteckige Kirche beeindruckt durch die Architektur der Kuppel: Ein System von Gurtbögen lässt einen Stern entstehen, dessen Zentrum ein Achteck bildet. Der Besucher hält in der wohltuenden Stille inne, denkt nach über künftige Wege durchs Leben.
    Ich verlasse Navarra und erreiche die Rioja. Eine Agave imposanter Größe zeugt am Wegesrand von gemäßigtem Klima - doch am Horizont geben sich die Berge schneebedeckt.
    Kurz vor Logroño wartet Doña Maria bereits unter einem Feigenbaum. Von hier aus hat sie einen guten Blick auf die herannahenden Pilger. Sollte sie in der Mittagshitze eingenickt sein, wird ihr kleiner Hund die Neuankömmlinge ankündigen. Doña Maria ist eine Institution auf dem Jakobsweg wie einst Doña Felisa, ihre Mutter. Bei ihr gibt es einen Stempel. Jetzt steht im Pass „Felisa, Higos, Agua y Amor“. Felisa ist 2002 verstorben, aber Feigen, Wasser & Liebe gibt es noch immer. Auch Bier. Ich sitze im Schatten auf der Eigenbau-Bank. Maria klagt über den geringen Publikumsverkehr, viele nähmen jetzt den Bus. Maria ist freundlich und hat für jeden, der kurz bei ihr stehen bleibt, ein liebes Wort. Amor. Feigen verschenkt sie, Getränke verkauft sie. Manche Pilger gehen vorbei, würdigen Maria keines Blickes. Sie ruft ihnen etwas unfreundlich klingendes hinterher. Als ich mein zweites Bier bestelle, segnet sie mich. Da der Pilger genug Kilometer marschiert ist, möchte ich ihm weitere bei der Sucherei nach Essbarem ersparen. „Laurel“ heißt ein Fußgängerbereich, in dem sich Bar an Bar reiht. Einheimische gehen von Theke zu Theke, ein Glas hier, ein Happen da. In Vitrinen liegen vorgegarte Spießchen, die in der Mikrowelle erhitzt werden. Wie haben die das früher gemacht?
    Ein Wirt will mich zum Abschied mit seinem Stempelabdruck erfreuen. Ich lehne dankend ab. „Aber du bist doch auf dem Camino?“ Für manchen Pilger scheint ein St. Empel bedeutsamer zu sein als der St. Jakob.

Grubenlampen wecken auch die Schläfer mit Ohrenstöpsel auf

    Geraschel weckt mich auf. Knistern. Ein Lichtstrahl. Jemand hantiert an seinem Rucksack. Wie spät ist es? Es muss früh sein. Mitten in der Nacht? Aber einer packt, ist am Aufbrechen. Kaum hat jener den Schlafsaal endlich verlassen, sucht der nächste seine Sachen zusammen. Da alles in getrennten Plastikbeuteln

Weitere Kostenlose Bücher