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Heiter. Weiter.

Heiter. Weiter.

Titel: Heiter. Weiter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heininger
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selbst ins Reine gekommen ist, wird auch einen Schritt auf seinen Mitmenschen zugehen.

Ein gewöhnlicher Morgen im Tagesablauf eines Jakobuspilgers

    Der Pilger ist erwacht. Er springt aus der oberen Etage des Doppelstockbettes. Er hat sich vorher vergewissert, dass nicht ein anderer auf dem Boden etwas sucht. Es ist eng. Der Pilger unterzieht sich einer Katzenwäsche - geduscht hatte er am Vorabend. Morgenduscher sind verpönt, es wird davon ausgegangen, dass sie schmutzig ins Bett gekrochen sind. Der Rucksack wird routinemäßig bestückt. Halt, noch die glücklicherweise getrockneten Wäschestücke von der Leine nehmen! Und los geht es. Aber der Pilger kommt nicht weit. Die Bar nebenan hat bereits geöffnet: „Desayuno“, Frühstück. Milchkaffee ist der Renner. Und dazu noch etwas Süßes. Ein Blick in den Wanderführer, und jetzt geht der Pilger endlich los. Er wird heute die üblichen fünf, sechs Stunden marschieren. Zweimal, vielleicht auch dreimal, gönnt er sich eine Rast. In der ersten Pause wird er sich einen weiteren Milchkaffee einverleiben, später dann ein gewaltiges Bocadillo mit Queso oder Jamon, dazu ein Glas Orangensaft, frisch ausgepresst. Vitamine sind wichtig. So sieht gewöhnlich der Pilgermorgen aus. Aber ich trinke nur eine Tasse Tee in Puente la Reina, frühstücken werde ich in Mañeru. Am Ortseingang befindet sich eine Art Herberge, vor der ein Mann freundlich Kaffee und Plätzchen anbietet. Er macht Werbung für sein Quartier. Doch Pilger, die dort genächtigt hatten, waren nicht begeistert. „Dreckloch“, so die Wertung. Die Bar „Centro“ jedoch ist sauber und es duftet angenehm nach dem vor sich hin köchelnden Mittagessen.
    Die Stärkung war wichtig, denn im malerisch auf einer Anhöhe liegenden Cirauqui gibt es kein Lokal. Der Bäcker verkauft Brot und allerlei zum Belegen. Oben im Dorf befindet sich ein Lebensmittelladen mit Metzgerei. Ich wandere heute auf einer alten Römerstraße und auf den neuen Pilgerpisten. Der Weg führt durch Tunnel und ein Aquädukt, unter und über Brücken aus Stein, Metall und Holz.
    In Lorca überrasche ich den Wirt der „Albergue de Lorca“ mit einer Bestellung auf Baskisch, er überrascht mich mit seiner Lektüre: Hannah Arendt. Estella überrascht mit seiner Größe. Parolen und Plakate an den Wänden machen sichtbar: Ich bin noch im Baskenland. In manchen Bars hängen Portraitbilder junger Frauen und Männer: Inhaftierte Kämpfer für ein unabhängiges Baskenland.
    Erneut finde ich eine Herberge. Bei Hiob heißt es: „Kein Fremder durfte draußen zur Nacht bleiben, sondern meine Tür tat ich dem Wanderer auf.“ Sind diese Unterkünfte oft veraltet, so sind wir doch dankbar, eine günstige Bleibe zu finden. Eine solche Infrastruktur fand ich in Frankreich nicht. Gibt es etwa etwas Vergleichbares in Deutschland? Im Wohnort? Oder gar im eigenen Haus?

Und auch die zweite Hälfte des Tages geht ihren gewohnten Gang

    Bald nach Estella erreicht mancher Pilger ein für ihn wichtiges Ziel: Der Weinbrunnen der Bodegas Irache. Aus dem linken Hahn fließt Rotwein, rechts Wasser. Aus einem Automaten lässt sich für einen Euro ein Weinprobiergläschen ziehen. „Pilger, willst du in Santiago voller Kraft und Lebensfreude sein, stoße mit uns an und trink einen Schluck Wein.“ Aber der Hinweis - „Wir laden ein, an diesem Brunnen zu trinken, ohne zu saufen, um den Wein mitzunehmen, musst Du ihn jedoch kaufen“ - wird von manchen ignoriert. Plastikgefäße werden gierig von Pilgern gefüllt, die sonst ewig am Glas nuckeln. Wann wollen die eine ganze Flasche leeren?
    Wir wollen uns jedoch nicht ärgern, sondern fortfahren mit dem Tagesablauf des Pilgers: Am Nachmittag ist das Tagesziel erreicht. Die Herberge ist schnell gefunden, der Hospitalero auch. Der Pilger legt seinen Ausweis vor, der Hospitalero stempelt ab, notiert den Namen. Und: „Such dir irgendwo ein Bett“ oder „Raum Nummer fünf “ oder „Raum Nummer drei, Bett zwölf” oder „Alle Betten sind belegt, du musst auf dem Boden liegen“. Der Pilger wird das Zugewiesene aufsuchen und mit dem ausgerolltem Schlafsack seinen Besitzanspruch für die Nacht kund tun . Nun heißt es: waschen, Kleidung wie Körper. Was zuerst frei ist, bestimmt die Reihenfolge: Dusche oder Waschkübel. Nachdem das Tagwerk verrichtet ist, wird der Pilger ein wenig schlafen, Tagebuch schreiben oder die Kirche aufsuchen, sofern sie geöffnet ist. Dann ist Zeit für das Abendessen.
    Die Bar neben der

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