Heiter. Weiter.
Minibar, Schreibtisch und Fernsehgerät waren zu erwarten. Mein Bett wird gekrönt von einem Baldachin, während Nachttische und Spiegel mit Muschel-Schnitzereien verziert sind.
Das geräumige Badezimmer ist ausgestattet mit Wanne, Bidet und WC. Böden und Wände sind nicht, wie man in Santiago erwarten könnte, aus Granit, sondern aus braunem und beigem Marmor. Allerlei kleine Flaschen, wir wollen sie in solch einem Haus Flacons nennen, gefüllt mit Shampoo, Lotion, Eau de Toilet oder Schaumbad, und Kästchen mit Kamm, Zahnbürste, Seife, Schuhcreme warten auf ihren Einsatz. An der Wand hängt ein Haartrockner. Hygienisch verpackte Whiskeygläser, als Zahnputzbecher gedacht, reizen zur versehentlichen Mitnahme. Doch ich gedenke nicht, meinen bescheidenen Haushalt durch Gläser mit Parador-Logo aufzuwerten.
In meinem kahlen Kopf ist nach der monatelangen Wanderung längst klar geworden, dass dieser ganze Luxus eigentlich überhaupt nicht notwendig ist. Was soll ich auch mit Kamm und Fön? Aber ich werde in der Nacht in den weißen, sauberen, gestärkten Laken auf einer rückenfreundlicher Matratze herrlich schlafen.
Endlich Ruhe, der Trubel der vergangenen Tage ist vorbei
Bin ich denn ein weiches Federbett nicht mehr gewohnt? Lange hatte ich gebraucht, einzuschlafen. Mit wachem Sinne, aber unfreiwillig, konnte ich so mein Zimmer geniesen.
Im Dunkeln verlasse ich den Parador. Kein Musikant, kein Passant belebt in der Morgenkühle die Praza do Obradoiro in Santiago. Noch ein Blick zur Kathedrale, dann gilt mein Augenmerk der Treppe an jener Garage, vor der schon bald Pilger fürs Frühstück anstehen werden. Durch die Rúa das Hortas gehe ich westwärts Richtung Fisterra ans „Ende der Welt“.
Ich überquere die mir von meiner Zeit im „Nebraska“ sehr vertraute Rúa do Pombal. Im sündigen unteren Teil der Straße sind die kleinen Häuschen zu so früher Stunde verschlossen. Die Damen, die abends dort auf Sofas sitzend strickend Männerbesuch erhoffen, schlafen noch. Sie sind bereits im Oma-Alter, manche über siebzig. Alterspyramide und späterer Renteneintritt werden auch unseren Senioren bald mehr Engagement abfordem.
Der Trubel der letzten Kilometer vor Santiago ist Erinnerung. Bin ich allein auf dem Weg nach Fisterra? Der ist angenehm zu gehen, gut markiert mit metergenauen Entfernungsangaben. Ruhe. Eukalyptusgeruch. Ich blicke zurück: Wie ein Scherenschnitt zeigt sich die Kathedrale im Frühnebel.
Die Infrastruktur ist heute erfreulich: Der Hungrige muss nicht im erstbesten Lokal einkehren. Unter der mit Wein und Kiwis begrünten Pergola der kleinen Bar in Aguapesada freue ich mich über das Käsebrot. Nicht weit entfernt lockt Frau Carmen mit Bar und Supermarkt. Aus einem geflochtenen, mit Harz abgedichteten Krug, schenkt sie roten Eigenbauwein in typische Tazas. In Trasmonte ist eine weitere Rast in der freundlichen Bar „Pancha“ Pflicht. Ponte Maceira beeindruckt mit Wasserfall, lädt zum Dableiben. Ich übernachte aber in der Herberge von Negreira.
Überall gedeihen die typischen Kohlarten. Auf meiner ersten Wanderung kaufte ich von den winzigen Samenkörnern. Der Händler war begeistert, dass einer von den Pilgern in seinen Laden kam und sich für die Sämerei interessierte. Sorgsam packte er eine kleine Portion „Col galega“ in ein Tütchen, erklärte Anbau und Ernte. Es werden nur die untersten drei, vier Blätter abgepflückt. So wächst der Col weiter in die Höhe, neue Blätter bildend. Diese Kohlart ist robust und winterfest. Für mich ist die grüne Pflanze vor dem Fenster eine schöne, mehrjährige Erinnerung. Die Nachbarn wundern sich und die Kohlweißlinge freuen sich.
Ich genieße zum Abendbrot einen Teller mit dampfender Kohlsuppe. „Armeleuteessen“, ein Schlafplatz in der Herberge und Vorfreude auf den morgigen Wandertag - wie wenig bedarf es doch, um glücklich zu sein!
Ich liege unterm Tisch, doch fühle mich wie im Parador-Bett
Nachts trommelt der Regen unablässig „bleib im Bett!“ Aber als ich morgens Negreira verlasse, besteht Hoffnung auf einen halbtrockenen Tag: Niesel nur. Doch das Getröppel wollte mich wohl hinauslocken, nach wenigen Metern beginnt es zu schütten: Prassel pur. Eine hilfsbereite Frau sagt, bei dem gewaltigem Schauer sei es besser, die Straße zu benutzen als den Wanderweg. Ich vertraue dem einheimischen Rat, zumal sie meinte, unterwegs gebe es eine Einkehrmöglichkeit. Um es kurz zu machen: die Möglichkeit war geschlossen, die
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