Heiter. Weiter.
vor dem Pilgerbüro einreihen, warten und schließlich den Pilgerausweis vorlegen. Er wird den Grund für seine Pilgerreise angeben und erhält dann die Pilgerurkunde, die Compostela. Dieses Dokument ist in lateinischer Sprache abgefasst, auch sein Name wird in lateinischer Form eingesetzt. Entsetzt entdeckt er auf der Urkunde das Wort „omnibus“ und denkt daran, was er vor Burgos, durch die Meseta und nach León - und wer weiß noch wo - getrieben hatte ... Morgens, mittags und abends stehen Pilger mit einer Fotokopie ihrer Compostela vor der Garage am „Hostal de los Reyes Católicos“ an der Kathedrale. Das Luxushotel ist aus einer Pilgerherberge hervorgegangen. Daher die Tradition, täglich zehn Pilgern, die sich per Fotokopie ausweisen können, Frühstück, Mittag- und Abendessen zu bieten. Gratis! Die sich einfinden, werden von einem Bediensteten begrüßt. Der gibt gleich per Telefon die genaue Anzahl der Essensgäste an die Küche weiter. Die Pilger sind inzwischen durch das Hauptportal des Hotels getreten. Vorbei an Rezeption und Rolex-Vitrine, durch weitläufige Flure und grüne Innenhöfe, führt der unmarkierte Weg uns Hungrige zum Eingang der Hotelküche und durch diese hindurch bis zu einer Theke, auf der schon die Vorspeisen angerichtet sind. Der Koch hat bereits Fleisch oder Fisch gegart, füllt die Teller und schenkt Wein aus. In einem kleinen Räumchen machen wir es uns glücklich gemütlich. Nebenan ist die Personalkantine: Kommt jemand an unserem Zimmer vorbei, ertönt stets der Wunsch „buen provecho“ - guten Appetit! Wir sind dankbar. Und satt. Der Pilger steht wieder vor der Kathedrale. Allein. Es sind auch andere hier, doch er fühlt sich alleingelassen.
Eine unbekannte Traurigkeit ist in dem Pilger aufgestiegen
Lange hatte der Pilger geplant, gespart, gezweifelt. Er hatte manche Hoffnung und viele Befürchtungen gehabt. Jetzt steht er vor der Kathedrale in Santiago de Compostela - unfassbar! Er hat am Gottesdienst teilgenommen, den Botafumeiro erlebt, die Compostela erhalten. Und jetzt? Leere. Einsamkeit. Eine bisher unbekannte Traurigkeit ist in ihm aufgestiegen. Er kann es nicht länger verdrängen: Seine Pilgerwanderung ist zu Ende. Wo sind die anderen? Die netten Menschen von unterwegs? Er ist allein, fühlt sich allein gelassen. Gerne würde er sich jetzt mit irgendwem unterhalten, mit irgendwem, der ihn und seine Gefühle versteht.
„Ankommen und erwartet werden“ -unter diesem Motto werden in Santiago seit dem Sommer 2009 Gespräche für deutschsprachige Pilger angeboten. Der Bedarf ist sehr groß, viele sind am Ende ihrer Pilgerfahrt in ein seelisches Tief gefallen. Die Kirche hofft, ihre Schäfchen vor solch einem Loch zu bewahren und das eine oder andere zu gewinnen.
Ich übernachte im ehemaligen Puffviertel der Stadt. Das ahnte ich nicht, als ich mich in der „Pension Nebraska“ in einem winzigen Zimmerchen einmietete. Hier in der Rúa do Pombal gibt es einige kleine Unterkünfte: einstige Stundenhotels. Doch heute ist der obere Teil der Straße anständig und pilgerwürdig. Nur im nahen Park erinnert eine Statue an die „Marias“, die da ihrem Gewerbe nachgingen.
Ich habe Lust auf eine Portion Pulpo. Unter der Adresse Cruce de los Concheiros 2, die Pilger sind auf ihrem Weg in die Stadt da vorbeigekommen, befindet sich das Lokal „Bodegon os Concheiros“, eine von Einheimischen gerne besuchte Pulpería. Hier gibt es Pulpo (Krake), Zorza (Schweinernes) und Jamon asado (Schweinsbraten). Interessant ist eine Kombination von Käse und Anchovis. Alles ist sehr schmackhaft, wie auch das Brot und der Rotwein. Ich rate aber ab von „Oreja“, zubereitet aus knorpeligen Stückchen vom Schweineohr. Doch Vorsicht: Wer in der Zeit der Reconquista, der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel durch die Christen, Schweinefleisch ablehnte, war verdächtig, nicht Christ, sondern ein Maure zu sein. Für Vegetarierer: Unsere Gelben Rüben sind benannt nach den Mauren: Möhren.
Auf dem Rückweg in die Altstadt mache ich Halt in der Rúa de San Pedro im beseelten „Mosquito“. An der Wand stehen aufgereiht die Fässer, darunter liegende alte Zeitungen nehmen den tropfenden Hähnen ihren Schrecken. Der preiswerte Wein wird aus Porzellanschalen getrunken. Man bestellt „una taza“ - eine Tasse. Der rote Wein ist süffig, die Stammgäste bevorzugen aber Weißwein. Oder Kaffee-Likör, hausgemacht. Die alte Frau hinter dem Tresen wird bald aufhören, dann wird das Lokal
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