Held zum Verlieben
Ladentür hinaus.
Judith unterdrückte ein Stöhnen. Es war Sophie Bruner gewesen, die größte Klatschbase der Stadt. In weniger als einer Stunde würde ganz Call City Bescheid wissen. Voller Angst sah sie zu Davie. Was würde mit ihm geschehen, wenn man sie einsperrte? Aber sie zeigte ihre Angst nicht, als sie sich den beiden Männern wieder zuwandte. „Geben Sie mir eine Minute, um das Essen einzupacken, dann kommen wir mit.“
Jack versuchte gar nicht erst, seine Überraschung zu verbergen. Judith Dandridge zeigte weder Reue noch Furcht. Dann dachte er an den Streit, den er zwischen Judith und Shuler miterlebt hatte. Er konnte zwar nicht billigen, was sie getan hatte, aber er konnte es fast schon verstehen. Das Einzige, was ihm nicht in den Kopf wollte, war das Brandmal. Was zum Teufel hatte ein „V“ zu tun mit … Vergeltung? Hatte sie ihm das „V“ für „Vergeltung“ eingebrannt?
Er sah, mit welcher Sanftheit und Liebe sie die Sachen zusammenpackte, ganz so, als würden sie und Davie zu einem Picknick gehen, nur, um dem Jungen keine Angst zu machen. Der arme Davie. Seine Welt, so, wie er sie kannte, sollte in Bälde zusammenbrechen.
„Meine Herren“, sagte Judith tapfer, „wir sind bereit.“
Einige Minuten später saß sie vor Wades Schreibtisch. Jack sah von der Tür aus zu. Er wartete auf ein Zeichen der Reue, aber Judiths einzige Sorge in diesem Augenblick schien zu sein, dass Davie keinen Orangensaft auf Wades Teppich verschüttete.
„Judith, ich werde alles auf Band aufnehmen“, erklärte Wade und holte seinen Kassettenrekorder aus dem Schreibtisch.
„Tun Sie, was Sie tun müssen.“ Dann fing sie einen Kartoffelchip auf, der Davie aus der Hand gefallen war. „Pass auf, Schatz“, sagte sie zärtlich. „Wir wollen doch nicht, dass Wades Boden schmutzig wird, oder?“
„In Ordnung, Tante Judy. Ich werde aufpassen.“
„Braver Junge“, sagte sie liebevoll und wandte sich wieder Wade zu, dem seine Aufgabe sichtlich schwerfiel. Er drückte die Aufnahmetaste.
„Ich bin Chief Wade Franklin. Ich nehme das Verhör von Judith Dandridge und ihrem Pflegekind Davie Dandridge auf Band auf.“
Jack sah, wie eine flüchtige Emotion Judiths Gesichtsausdruck kurz veränderte, aber es ging so schnell, dass er glaubte, es sei nur Einbildung gewesen. Er blickte über die Schulter nach draußen, um sich zu vergewissern, dass niemand sie stören würde, und nickte Wade dann aufmunternd zu.
„Judith Dandridge, Sie haben das Recht zu schweigen. Wenn Sie …“
Sie hob die Hand. „Ich kenne meine Rechte. Und ich verzichte auf mein Recht, einen Anwalt dabeizuhaben.“
„Als Polizist und als Ihr Freund rate ich Ihnen, das noch einmal zu überdenken.“
„Ich brauche keinen Anwalt“, erklärte sie. „Anwälte sprechen sich nur mit anderen Anwälten ab. Es kümmert sich sowieso niemand mehr um das geschriebene Gesetz. Denn wenn das der Fall wäre, wäre nichts von dem, was passiert ist, geschehen.“
Jack fühlte sich elend. Ein Teil von ihm war genau ihrer Meinung. Wie oft hatten er und sein Partner einen Täter geschnappt, der im Handumdrehen wieder auf der Straße war.
„Judith, wo waren Sie am Abend des 5. August dieses Jahres?“, fragte Wade.
„Wir können uns all diese Fragen ersparen“, erklärte sie. „Ich bin verantwortlich dafür, dass Victor Shuler eine Lektion erteilt wurde.“ Dann beugte sie sich zur Seite und wischte Davie etwas Senf vom Mundwinkel.
Wade blinzelte verwirrt. Ein solches Geständnis hatte er nun doch nicht erwartet.
„Judith, Sie haben ihm nicht nur eine Lektion erteilt. Sie haben viel mehr getan. Sie haben ihn entführt, ihn gegen seinen Willen gefangen gehalten und Körperverletzung begangen. So was nennt man Entführung und das ist ein Schwerverbrechen. Sobald wir Ihr Geständnis aufgenommen haben, muss ich das FBI informieren. Der Fall kommt vor ein Bundesgericht.“
„Ich kann Ihrer Ausführung nicht beipflichten“, sagte sie. „Ich habe ihn nicht entführt. Es gab weder eine Forderung noch einen Austausch, damit er freigelassen wurde. Als ich der Meinung war, dass er seine Lektion begriffen hat, habe ich ihn freigelassen. Ich habe es getan, und ich nehme jede Strafe entgegen, die mir ein Richter erteilt.“
Wade war gar nicht glücklich. „Zum Teufel noch mal, Judith, sind Sie denn völlig verrückt?“
Sie sah ihn trotzig an. „Das war ich einmal, vor Jahren“, sagte sie. „Aber ich bin darüber hinweg.“
Davie zupfte an ihrem
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