Held zum Verlieben
hier, bevor er die Nerven verlieren würde. „Ich fahr nach Hause“, erklärte er knapp und verschwand, noch bevor Wade etwas erwidern konnte.
Die Geschichte von Judith Dandridge hatte endgültig etwas in Jack hochgespült, was er die ganzen Jahre über instinktiv stets gewusst hatte: Die Dämonen seiner Kindheit waren noch immer so lebendig wie damals, als er ein kleiner Junge war. Jack dachte an den Hass, den er für seinen Vater empfand, an das Misstrauen gegen jede Form von Zuneigung, das er in sich trug. Da erkannte er auf einmal, dass er auf dem besten Wege war, genauso zu werden wie Joe Hanna: hasserfüllt und verbittert. Konnte er das zulassen, dass sein Vater letzten Endes auch sein Leben als Erwachsener dominierte? Wollte er wie Judith Dandridge das Grauen so lange in sich tragen, bis es sich einen ähnlich fatalen Weg suchte, um sich zu entäußern?
Während er zum Franklinhaus fuhr, dachte er an Charlotte und an Rachels unschuldiges Kindergesicht. Die Kleine lachte ständig, hatte immer Unsinn im Kopf. Die beiden hatten es nicht verdient, mit einer Zeitbombe zusammenzuleben. Und genau das war er.
Als er in die Einfahrt fuhr, wusste er, was er zu tun hatte.
Charlie war immer noch wie gelähmt, als Jack vor dem Haus hielt und parkte. Es waren nicht nur die Neuigkeiten im Fall Shuler, die Wade ihr soeben telefonisch mitgeteilt hatte, die sie so verwirrten. Er hatte ihr auch mitgeteilt, dass Jack ohne Erklärungen aus dem Büro gestürzt und auf dem Weg zum Haus war.
Sie hörte, wie Jack ausstieg. Sie sah auf die Uhr. Rachel würde noch mindestens eine Stunde schlafen, vielleicht sogar noch länger. Das war gut. Dann könnten sie und Jack reden. Offensichtlich hatte ihn irgendetwas aus der Bahn geworfen, sonst wäre er nicht so überstürzt aus dem Büro geflohen. Charlie gestattete sich nicht, das Unvermeidliche zu denken, nämlich, dass der Fall gelöst war und er abreisen würde.
Sie hörte, wie die Küchentür aufging. Sie drehte sich um. Jack stand in der Tür und sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er gekommen war, um Abschied zu nehmen.
„Das ist nicht fair“, flüsterte sie.
„Das ist das Leben kaum jemals“, entgegnete er und nahm sie in die Arme.
Sie klammerte sich an ihn, unterdrückte den Wunsch, sich ihm zu Füßen zu werfen und ihn anzuflehen, zu bleiben. Ihr Stolz war alles, was sie noch hatte.
„Wade hat mir erzählt, was passiert ist.“
Jack schüttelte den Kopf. „Es war unglaublich.“
Sie löste sich aus seiner Umarmung und nahm ein Geschirrtuch. Sie musste etwas haben, woran sie sich festhalten konnte. „Ich nehme an, du bist gekommen, um deine Sachen zu packen“, sagte sie, und ihr Kinn zitterte. „Irgendwie habe ich das schon erwartet“, meinte sie. „Aber nicht ganz so plötzlich.“
Jack seufzte. Natürlich musste sie ihn missverstehen. Wenn er es ihr nur begreiflich machen könnte.
„Es ist nicht so, wie du denkst“, sagte er leise.
„Dann erklär es mir bitte“, bat sie und wandte sich schnell ab, damit er ihre Tränen nicht sehen konnte. „Denn im Augenblick glaube ich, dass ich vor Schmerzen sterben könnte.“
„Charlotte, ich muss das hier machen, sonst werde ich schließlich wie sie.“
„Wie wer?“
„Judith. Judith Dandrige. Wenn ich den Hass, der in mir steckt, nicht loswerde, dann werde ich eines Tages explodieren so, wie sie es getan hat, nur dass du und Rachel diejenigen sein würden, die leiden müssten.“
Charlie wurde blass. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Hier ging es nicht darum, dass er sie verlassen wollte. Es ging darum, dass er die Reise, die er begonnen hatte, zu Ende bringen musste, bevor sie zusammenkamen.
Sie wischte sich erleichtert die Tränen weg. „Ich habe aber eine Bitte.“
„Ja?“
„Begrabe deine Dämonen, treibe all deine Geister aus, Jack Hanna. Aber wenn du damit durch bist, kommst du dann zu mir zurück?“
„Sofort“, sagte er und zog sie an sich. „Und jetzt habe ich eine Bitte an dich.“
„Ja?“
„Liebe mich.“
„Immer“, sagte sie und schlang die Arme um seinen Hals.
Zwei Stunden später war er weg. Charlie weinte immer noch, als Rachel aus ihrem Mittagsschlaf erwachte. Sie tapste ins Wohnzimmer, die Lieblingsdecke im Schlepptau und kroch ihrer Mutter auf den Schoß.
„Mallows?“, fragte sie und legte den Kopf an Charlies Brust. Die Tränen ihrer Mutter machten ihr ein wenig Angst.
Charlie umarmte sie liebevoll. „Gut, Schätzchen, wir werden dir Mallows
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