Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
um sich aus einem Albtraum zu wecken.
»Die Große Mutter weiß alles!«, sagte einer. »Das ist unmöglich!«
Außer man schaut sich hier mal ein bischen um, dachte Annabeth und ihre Zuversicht wuchs.
Sie starrte den Geist an, der eben gesprochen hatte. Er hatte ein Rabenabzeichen an seiner Toga – und dasselbe Symbol sah sie auf dem Boden zu ihren Füßen.
»Du bist nur ein Rabe«, sagte sie verächtlich. »Das ist der niedrigste Grad. Schweig still und lass mich mit deinem Pater reden.«
Der Geist wand sich. »Erbarmen! Erbarmen!«
Vorne in der Kammer zitterte der Pater – entweder vor Zorn oder vor Wut, Annabeth wusste es nicht genau. Sein Papsthut war zur Seite gekippt, wie ein Benzinanzeiger, der auf leer stand. »Wahrlich, du weißt viel, Große Mutter. Deine Weisheit ist bedeutend. Aber das ist nur ein weiterer Grund, warum du diesen Ort nicht verlassen darfst. Die Weberin hat uns schon gesagt, dass du kommen würdest.«
Die Weberin … Annabeth wurde das Herz schwer, als ihr aufging, wovon der Pater da redete: diesem Ding in der Finsternis aus Percys Traum, der Hüterin des Schreins. Dieses eine Mal wünschte sie sich, sie hätte die Antwort nicht gewusst, aber sie versuchte, Ruhe zu bewahren. »Die Weberin hat Angst vor mir. Sie will nicht, dass ich dem Zeichen der Athene folge. Aber ihr werdet mich durchlassen.«
»Du musst eine Prüfung wählen«, erklärte der Pater . »Feuer oder Dolch. Wenn du sie überlebst, dann vielleicht.«
Annabeth schaute auf die Knochen ihrer Geschwister. Die Fehler deiner Vorgänger werden dich leiten.
Alle hatten ihre Entscheidung getroffen: Feuer oder Dolch. Vielleicht hatten sie alle geglaubt, die Prüfung bestehen zu können. Aber sie waren alle gestorben. Annabeth brauchte eine dritte Möglichkeit.
Sie starrte die Statue auf dem Altar an, und die leuchtete mit jeder Sekunde heller. Sie konnte ihre Hitze quer durch den Raum spüren. Ihr Instinkt riet ihr, sich auf den Dolch oder die Fackel zu konzentrieren, aber stattdessen schaute sie den Sockel der Statue an. Sie hätte gern gewusst, warum deren Beine im Stein feststeckten. Dann begriff sie: Vielleicht steckte die kleine Statue des Mithras eben nicht im Stein fest. Vielleicht entstieg er gerade dem Stein.
»Weder Fackel noch Dolch«, sagte Annabeth mit fester Stimme. »Es gibt eine dritte Prüfung, und die werde ich bestehen.«
»Eine dritte Prüfung?«, fragte der Pater.
»Mithras wurde aus Fels geboren«, sagte Annabeth und hoffte, richtig geraten zu haben. »Er entstieg in voller Größe dem Stein, mit seinem Dolch und seiner Fackel in der Hand.«
Geschrei und Gejammer sagten ihr, dass sie richtig geraten hatte.
»Die Große Mutter weiß alles!«, rief ein Geist. »Das ist unser bestgehütetes Geheimnis!«
Dann solltet ihr vielleicht keine Statue davon auf euren Altar stellen, dachte Annabeth. Aber sie war diesen blöden Geistermännern dankbar. Wenn sie Kriegerinnen in ihren Kult aufgenommen hätten, hätten sie vielleicht ein wenig gesunden Menschenverstand gelernt.
Annabeth zeigte mit dramatischer Geste auf die Mauer, aus der sie gekommen war. »Ich wurde aus Stein geboren, genau wie Mithras. Deshalb habe ich eure Prüfung schon bestanden.«
»Pah!«, fauchte der Pater . »Du bist durch ein Loch in der Mauer gekommen. Das ist nicht dasselbe.«
Na gut. Der Pater war offenbar doch kein Vollidiot, aber Annabeth blieb zuversichtlich. Sie schaute zur Decke hoch und ihr kam eine neue Idee – und alle Details fügten sich aneinander.
»Ich beherrsche diese Steine dort«, sie hob die Arme. »Ich werde beweisen, dass meine Macht größer ist als die des Mithras. Mit einem einzigen Streich werde ich diese Kammer zum Einsturz bringen!«
Die Geister heulten und bebten und sahen zur Decke hoch, aber Annabeth wusste, dass sie nicht dasselbe sahen wie sie. Diese Geister waren Krieger, keine Ingenieure. Die Kinder der Athene besaßen viele Fähigkeiten, nicht nur im Kampf. Annabeth beschäftige sich seit Jahren mit Architektur. Sie wusste, dass diese uralte Kammer kurz vor dem Einsturz stand. Sie begriff, was die Risse in der Decke bedeuteten und dass sie alle von einem einzigen Punkt ausgingen – dem höchsten Punkt des Steinbogens genau über ihr. Der Schlussstein war kurz vor dem Zerfall, und wenn sie den Zeitpunkt richtig legen könnte …
»Unmöglich!«, rief der Pater . »Die Weberin hat uns gut bezahlt, um alle Kinder der Athene zu vernichten, die unseren Schrein betreten. Wir haben
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