Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
liegen; es war noch stickiger als in Houston. Irgendwo in der Nähe wurden Fische gebraten. Der Himmel über ihnen war schwer und grau und gestreift wie ein Tigerfell.
Der Hof war ungefähr so groß wie ein Basketballplatz. In der Ecke lag ein alter, verschrumpelter Fußball, zu Füßen einer Marienstatue.
Die Fenster in den Gebäuden waren offen. Leo konnte dahinter Bewegungen sehen, aber alles war gespenstisch still. Er sah nirgendwo eine Klimaanlage, und das bedeutete, dass es im Haus an die tausend Grad heiß sein musste.
»Wo sind wir?«, fragte er.
»Meine alte Schule«, sagte Hazel neben ihm. »St. Agnes Academy für farbige Kinder und Indianer.«
»Was für ein Name …«
Er drehte sich zu Hazel um und schrie auf. Sie war ein Geist – nur eine dunstige Silhouette in der feuchten Luft. Leo sah an sich hinab und ihm ging auf, dass auch sein Körper sich in Dunst verwandelt hatte.
Alles um ihn herum wirkte real und solide, aber er war ein Geist. Nachdem er drei Tage lang von einem Eidolon besessen gewesen war, wusste er dieses Gefühl überhaupt nicht zu schätzen.
Ehe er eine Frage stellen konnte, erklang im Haus eine Glocke – es war kein modernes elektronisches Geräusch, sondern der altmodische Schlag eines Hammers gegen Metall.
»Das hier ist eine Erinnerung«, sagte Hazel. »Deshalb wird uns niemand sehen. Also, da kommen wir.«
»Wir?«
Aus allen Türen kamen Dutzende von Kindern auf den Hof gelaufen, sie lärmten und rempelten einander an. Es waren vor allem Afroamerikaner, aber einige sahen auch wie Latinos aus, und es gab alle Altersstufen, von Kindergarten bis Highschool. Leo wusste, dass er in der Vergangenheit war, denn alle Mädchen trugen Kleider und Lederschuhe mit Schnallen. Die Jungen hatten weiße Oberhemden und Hosen mit Hosenträgern an. Viele trugen Schirmmützen, wie Jockeys. Manche hatten Pausenbrote bei sich. Andere nicht. Ihre Kleidung war sauber, aber abgetragen und verschossen. Einige hatten an den Knien Löcher in der Hose oder Schuhe mit geplatzten Absätzen.
Einige der Mädchen spielten mit einer alten Wäscheleine Seilspringen. Die älteren Jungen warfen einen zerfetzten Baseball hin und her. Die, die Proviant bei sich hatten, setzten sich zusammen und plauderten.
Niemand achtete auf die Geister Hazel und Leo.
Dann betrat Hazel den Hof – die Hazel aus der Vergangenheit. Leo erkannte sie sofort, auch wenn sie zwei Jahre jünger aussah als jetzt. Ihre Haare waren zu einem Knoten nach hinten gekämmt. Ihre goldenen Augen jagten nervös über den Hof. Sie trug ein dunkles Kleid, anders als die anderen Mädchen in ihren weißen oder geblümten Baumwollkleidern, deshalb wirkte sie fremd wie eine Trauernde bei einer Hochzeit.
Sie griff nach einer leinenen Provianttasche und bewegte sich an der Mauer entlang, als ob sie nicht gesehen werden wollte.
Doch es half nichts. Ein Junge rief: »Hexengöre!« Er lief auf sie zu und drängte sie in eine Ecke. Der Junge konnte vierzehn oder auch neunzehn sein, es war schwer zu sagen, weil er so groß und kräftig war, sicher der größte Junge auf dem Schulhof. Leo vermutete, dass er mehrere Male sitzengeblieben war. Er trug ein schmutziges Hemd in der Farbe von Schmierlappen, eine fadenscheinige Wollhose (bei dieser Hitze konnte das nicht besonders angenehm sein), und er hatte keine Schuhe. Vielleicht hatten die Lehrer zu große Angst vor ihm, um auf Schuhen zu bestehen, oder er besaß einfach keine.
»Das ist Rufus«, sagte Geist Hazel angewidert.
»Echt? Der kann doch nie im Leben Rufus heißen«, sagte Leo.
»Komm mit«, sagte Geist Hazel. Sie schwebte auf die beiden zu. Leo folgte ihr. Er war das Schweben nicht gewöhnt, aber einmal war er auf einem Segway-Roller gefahren, und das war ähnlich gewesen. Er beugte sich einfach in die Richtung, in die er wollte, und glitt los.
Der große Junge, Rufus, hatte ein flaches Gesicht, als ob er die meiste Zeit mit der Nase nach unten auf dem Bürgersteig läge. Sein Haar waren oben ganz kurz geschoren, so dass ein Miniflugzeug es als Landebahn hätte nehmen können.
Rufus streckte die Hand aus. »Mittagessen.«
Hazel aus der Vergangenheit wehrte sich nicht. Sie reichte ihm ihre Leinentasche, als ob das ein alltägliches Ereignis wäre.
Einige ältere Mädchen kamen herüber, um sich den Spaß nicht entgehen zu lassen. Eine kicherte Rufus zu. »Das willst du doch gar nicht essen«, sagte sie warnend. »Das ist sicher vergiftet.«
»Stimmt«, sagte Rufus. »Hat deine
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