Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
befürchtet hatte, umgab das Grundstück ein Kreis aus Lagerfeuern im Wald, während das Haus unberührt aussah.
Die Windspiele seiner Großmutter klimperten in der nächtlichen Brise. Der Korbsessel war leer und schaute auf die Straße. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss brannte Licht, aber Frank wollte lieber nicht an der Tür klingeln. Er wusste nicht, wie spät es war und ob seine Großmutter schlief oder überhaupt zu Hause war. Deshalb sah er unter dem steinernen Elefanten in der Ecke nach, einer winzigen Kopie des Elefanten aus Portland. Der Reserveschlüssel steckte noch immer unter dessen Fuß. An der Tür zögerte Frank.
»Was ist los?«, fragte Percy.
Frank dachte an den Morgen, als er dem Offizier die Tür geöffnet hatte, der ihm dann von seiner Mutter erzählte. Er erinnerte sich daran, wie er diese Treppe zu ihrer Beerdigung hinabgestiegen war, wie er das Holzstück zum ersten Mal in der Jacke gehabt hatte. Er erinnerte sich, wie er dort gestanden und gesehen hatte, wie die Wölfe aus dem Wald kamen – die Lieblinge der Lupa, die ihn ins Camp Jupiter bringen sollten. Das schien so lange her zu sein, und dabei waren es nur sechs Wochen.
Jetzt war er wieder da. Ob seine Großmutter ihn wohl umarmen würde? Würde sie sagen: »Frank, den Göttern sei Dank, dass du gekommen bist! Ich bin von Monstern umstellt!«
Aber es war wahrscheinlicher, dass sie ihn ausschimpfen oder sie für Einbrecher halten würde und sie mit einer Bratpfanne verjagte.
»Frank?«, fragte Hazel.
»Ella nervös«, murmelte die Harpyie, die jetzt auf dem Geländer hockte. »Der Elefant – der Elefant sieht Ella an.«
»Das geht schon gut.« Franks Hand zitterte so sehr, dass er kaum den Schlüssel ins Schloss schieben konnte. »Wir müssen nur zusammenbleiben.«
Das Haus roch stickig und muffig. Normalerweise duftete die Luft nach Räucherjasmin, aber alle Räucherpfännchen waren leer.
Sie durchsuchten das Wohnzimmer, das Esszimmer, die Küche. Im Spülbecken stapelte sich das schmutzige Geschirr, was seltsam war. Die Haushaltshilfe der Großmutter kam jeden Tag – falls die Riesen sie nicht verscheucht hatten.
Oder zum Mittagessen verzehrt, dachte Frank. Ella hatte die Laistrygonen doch als Kannibalen bezeichnet.
Er verdrängte diesen Gedanken. Monster ignorierten gewöhnliche Sterbliche. Jedenfalls normalerweise.
In der Diele grinsten Buddhastatuen und taoistische Heilige sie an wie Psychoclowns. Frank dachte an Iris, die Regenbogengöttin, die mit Buddhismus und Taoismus herumgespielt hatte. Er glaubte, dass ein einziger Besuch in diesem unheimlichen alten Haus sie davon kurieren würde.
Die riesigen Porzellanvasen seiner Großmutter waren von Spinnweben bedeckt. Auch das war seltsam. Sie ließ ihre Sammlung regelmäßig abstauben. Als Frank die Vasen ansah, verspürte er einen Stich von schlechtem Gewissen, weil er an dem Tag der Beerdigung so viele davon zerschossen hatte. Das kam ihm jetzt albern vor – dass er auf seine Großmutter wütend gewesen war, wo er bei so vielen anderen viel mehr Grund dazu hatte: Juno, Gaia, den Riesen, seinem Dad Mars. Vor allem bei Mars.
Der Kamin war dunkel und kalt.
Hazel schlang sich die Arme um den Leib, als wolle sie das Stück Brennholz daran hindern, in den Kamin zu springen. »Ist das …«
»Ja«, sagte Frank. »Das ist er.«
»Was denn?«, fragte Percy.
Hazels machte ein mitfühlendes Gesicht, aber dadurch fühlte Frank sich nur noch elender. Er dachte daran, wie verängstigt, wie angewidert sie ausgesehen hatte, als er den Grauen gerufen hatte.
»Das ist der Kamin«, sagte er blödsinnigerweise zu Percy, was irgendwie auf der Hand zu liegen schien. »Weiter. Wir sehen mal oben nach.«
Die Treppe knackte unter ihren Füßen. Franks altes Zimmer war unverändert. Nichts von seinen Sachen war angerührt worden – sein Ersatzbogen und die Köcher (die würde er nachher mitnehmen müssen), seine Rechtschreibpreise aus der Schule (ja, er war vermutlich der einzige nicht-legasthenische Halbgott auf der Welt, als ob er nicht ohnehin schon genug aus dem Rahmen fiel). Und die Fotos seiner Mom – in ihrer Kampfjacke und mit Helm, auf einem Humvee in der Provinz Kandahar; gekleidet als Fußballtrainerin, in der Saison, in der sie Franks Team trainiert hatte; in Rock und Uniformjacke mit den Händen auf Franks Schultern an dem Tag, an dem sie zur Berufsberatung seine Schule besucht hatte.
»Deine Mutter?«, fragte Hazel leise. »Die ist aber schön.«
Frank konnte
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