Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
Bild zeigte Annabeth – viel jünger, vielleicht acht, aber Jason erkannte sie trotzdem: dieselben blonden Haare und grauen Augen; der zerstreute Blick, als denke sie an eine Million Dinge auf einmal. Sie stand neben einem vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahre alten Typen mit sandfarbenen Haaren, einem boshaften Lächeln und einer zerfetzten Lederrüstung über einem T-Shirt. Er zeigte auf eine Gasse hinter ihnen, als wolle er dem Fotografen sagen: Jetzt sehen wir mal, was sich in dieser hohlen Gasse herumtreibt, und bringen es um. Ein zweites Foto zeigte Annabeth und denselben Typen, sie saßen an einem Lagerfeuer und wollten sich offenbar ausschütten vor Lachen.
Dann hob Jason eins der heruntergefallenen Fotos auf. Es war einer von diesen Schnappschüssen aus dem Fotoautomaten: Annabeth und der Typ mit den sandfarbenen Haaren, aber zwischen ihnen saß noch ein anderes Mädchen. Sie war vielleicht fünfzehn und hatte schwarze Haare – kurz geschoren wie Pipers –, eine schwarze Lederjacke und silbernen Schmuck. Sie sah damit ein bisschen nach Goth aus, aber sie lachte und es war klar, dass sie mit ihren beiden besten Freunden zusammen war.
»Das ist Thalia«, sagte jemand.
Jason fuhr herum.
Annabeth schaute über seine Schulter. Sie sah traurig aus, als ob das Bild schlimme Erinnerungen weckte. »Sie ist das andere Kind des Zeus, das hier gelebt hat – aber nicht lange. Entschuldige, ich hätte klopfen sollen.«
»Ist schon gut«, sagte Jason. »Ich betrachte diese Hütte ja nicht gerade als mein Zuhause.«
Annabeth war für die Reise gekleidet, sie hatte einen Wintermantel über ihre Campkleidung gezogen, ein Messer am Gürtel hängen und trug einen Rucksack.
Jason sagte: »Ich vermute, du hast es dir nicht noch mal anders überlegt und kommst doch mit uns?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast schon ein gutes Team. Ich mache mich auf die Suche nach Percy.«
Jason war ein bisschen enttäuscht. Er hätte so gern jemanden bei sich gehabt, der wusste, was zu tun war, denn dann hätte er nicht das Gefühl, Piper und Leo in einen Abgrund zu führen.
»He, wird schon gut gehen«, versprach Annabeth. »Eine innere Stimme sagt mir, dass das hier nicht dein erster Auftrag ist.«
Jason hatte den vagen Verdacht, dass sie Recht hatte, aber deshalb fühlte er sich trotzdem nicht viel besser. Alle schienen ihn für ungeheuer tapfer und voller Selbstvertrauen zu halten und sahen nicht, wie verloren er sich in Wirklichkeit vorkam. Wie konnten sie ihm vertrauen, wenn er nicht einmal wusste, wer er war?
Er sah die Fotos der lächelnden Annabeth an. Er hätte gern gewusst, wie lange sie schon nicht mehr gelächelt hatte. Offenbar hatte sie diesen Percy wahnsinnig gern, wo sie so viel Energie in die Suche nach ihm steckte, und Jason war ein wenig neidisch. Ob nach ihm wohl gerade jetzt auch jemand suchte? Was, wenn auch ihn ein Mädchen gernhatte und vor Sorge fast wahnsinnig wurde, während er sich an sein altes Leben nicht einmal erinnern konnte?
»Du weißt, wer ich bin«, sagte er fragend. »Oder?«
Annabeth packte den Griff ihres Dolches. Sie hielt Ausschau nach einem Stuhl, aber es gab keinen. »Ehrlich, Jason … ich bin nicht sicher. Wahrscheinlich bist du ein Einzelgänger. Die gibt es manchmal. Aus irgendeinem Grund hat das Camp dich nie gefunden, aber du hast trotzdem überlebt, weil du immer unterwegs warst. Hast dir das Kämpfen selbst beigebracht. Bist allein mit den Monstern fertig geworden. Du hast alle Wahrscheinlichkeit besiegt.«
»Das Erste, was Chiron zu mir gesagt hat«, erinnerte sich Jason jetzt, »war: Du müsstest tot sein.«
»Das könnte er gemeint haben«, sagte Annabeth. »Die meisten Halbgötter würden allein niemals überleben. Und ein Kind des Zeus – Ich meine, gefährlicher geht es doch gar nicht. Die Chancen, dass du fünfzehn wirst, ohne das Camp Half-Blood zu finden oder umzukommen, sind mikroskopisch klein. Aber wie gesagt, es kommt vor. Thalia ist durchgebrannt, als sie klein war. Sie hat jahrelang allein überlebt. Hat sich eine Zeit lang sogar noch um mich gekümmert. Also warst du vielleicht auch ein Einzelgänger.«
Jason streckte den Arm aus. »Und dieses Tattoo?«
Annabeth sah es kurz an. Ganz offenbar machte es ihr zu schaffen. »Na ja, der Adler ist das Symbol des Zeus, das ergibt doch Sinn. Und die zwölf Striche – die stehen vielleicht für Jahre, wenn du mit drei Jahren den ersten bekommen hast. SPQR – das ist das Motto des alten Römischen
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