Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
im Camp vorbei.«
Jason schaute zu dem großen Standbild des Zeus hinüber. Er begriff, warum Thalia in diesem Alkoven geschlafen hatte. Es war die einzige Stelle in der Hütte, die Hippie Zeus nicht im Blick hatte. Und nicht einmal das hatte ihr gereicht. Sie hatte es vorgezogen, der Artemis zu folgen und einer Gruppe anzugehören, statt in diesem zugigen alten Tempel zu hausen, allein mit ihrem sieben Meter großen Dad – Jasons Dad! –, der wütend auf sie herabstarrte. Du kriegst gleich einen elektrischen Schlag verpasst. Jason konnte Thalias Gefühle sehr gut nachvollziehen. Er hätte gern gewusst, ob es auch eine Jägergruppe für Jungen gab.
»Wer ist der Typ da auf dem Foto?«, fragte er. »Der mit den sandfarbenen Haaren?«
Annabeth Gesicht verdüsterte sich. Schlechtes Thema.
»Das ist Luke«, sagte sie. »Er lebt nicht mehr.«
Jason beschloss, keine weiteren Fragen zu stellen, aber so, wie Annabeth Lukes Namen genannt hatte, fragte er sich, ob Percy Jackson vielleicht nicht der einzige Junge war, den Annabeth jemals gerngehabt hatte.
Er richtete seinen Blick wieder auf Thalias Gesicht. Es kam ihm so vor, als ob dieses Foto von ihr wichtig war. Irgendetwas war ihm entgangen.
Jason fühlte sich auf seltsame Weise verbunden mit dieser Tochter des Zeus – sie würde seine Verwirrung verstehen und könnte ihm vielleicht sogar einige Fragen beantworten. Aber eine innere Stimme, ein eindringliches Flüstern sagte: Gefährlich. Abstand halten.
»Wie alt sie sie jetzt?«, fragte er.
»Schwer zu sagen. Sie war eine Zeit lang ein Baum. Jetzt ist sie unsterblich.«
»Was?«
Er musste ein total verblüfftes Gesicht gemacht haben, denn Annabeth lachte. »Keine Sorge. Das müssen nicht alle Kinder des Zeus durchmachen. Es ist eine lange Geschichte … na ja, sie war eben eine lange Zeit nicht im Einsatz. Wenn sie normal gealtert wäre, wäre sie jetzt Mitte zwanzig, aber sie sieht noch aus wie auf dem Foto, als wäre sie … na ja, in deinem Alter. Fünfzehn oder sechzehn.«
Etwas, was die Wölfin in seinem Traum gesagt hatte, machte Jason zu schaffen. Er ertappte sich bei der Frage: »Wie heißt sie mit Nachnamen?«
Annabeth schien diese Frage unbehaglich zu sein. »Sie hat ihren Nachnamen nicht benutzt. Wenn es sein musste, dann hat sie den ihrer Mutter genommen, aber sie kamen nicht gut miteinander aus. Thalia ist durchgebrannt, als sie noch ziemlich klein war.«
Jason wartete.
»Grace«, sagte Annabeth. »Thalia Grace.«
Jasons Finger wurden taub. Das Bild flatterte zu Boden.
»Stimmt was nicht?«, fragte Annabeth.
Ein Fetzen Erinnerung war wach geworden, ein einziges Stück, das Hera zu stehlen vergessen hatte. Oder vielleicht hatte sie es bewusst übrig gelassen – gerade genug, damit er sich an diesen Namen erinnerte und begriff, dass es schrecklich, schrecklich gefährlich wäre, in seiner Vergangenheit zu wühlen.
Du müsstest tot sein, hatte Chiron gesagt. Aber das hatte nichts damit zu tun, dass Jason gegen alle Wahrscheinlichkeit als Einzelgänger überlebt hatte. Chiron wusste etwas – etwas über Jasons Familie.
»Was ist los?«, fragte Annabeth.
Jason konnte das nicht für sich behalten. Dann würde es ihn umbringen, und außerdem brauchte er Annabeths Hilfe. Wenn sie Thalia kannte, konnte sie ihm vielleicht einen Rat geben.
»Du musst schwören, es niemandem zu erzählen.«
»Jason …«
»Schwöre!«, drängte er. »Bis ich herausgefunden habe, was hier vor sich geht, was das alles bedeutet …« Er rieb die eingebrannten Zeichen an seinem Unterarm. »So lange musst du es für dich behalten.«
Annabeth zögerte, aber dann trug ihre Neugier den Sieg davon. »Na gut. Bis du mir sagst, dass ich es darf, werde ich niemandem verraten, was du mir jetzt erzählst. Das schwöre ich beim Fluss Styx.«
Donner grollte, noch lauter als sonst in dieser Hütte.
Jason hob das Foto vom Boden auf.
»Mein Nachname ist Grace«, sagte er. »Das hier ist meine Schwester.«
Annabeth erbleichte. Jason konnte sehen, wie sie mit Entsetzen, Unglauben, Zorn kämpfte. Sie hielt ihn für einen Lügner. Seine Behauptung war unmöglich. Und ein Teil von ihm sah das auch so, aber sowie er es ausgesprochen hatte, wusste er, dass seine Worte die Wahrheit waren.
Dann wurden die Türen der Hütte aufgerissen. Ein halbes Dutzend Campinsassen kam hereingestürzt, angeführt von diesem kahlköpfigen Typen aus der Iris-Hütte, Butch.
»Beeilt euch«, sagte er und Jason wusste nicht, ob das in seinem
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