Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
seine Hand auf meinen Arm.
    Ich hatte keine Eltern mehr, doch einen Freund.
    Die Abreibung, die der amerikanische Drei-Sterne-General dem französischen Lieutenant-Colonel in aller Öffentlichkeit verpaßt hatte, hielt eine Weile an, jedenfalls schlug Alain Prenelle in der nächsten Zeit das Pfauenrad nicht mehr so häufig wie bisher, aber er wartete – hühnerbrüstig, händelsüchtig und hinterhältig – nur auf die Gelegenheit, den Amis die Demütigung heimzuzahlen, und dazu bot sich ihm beim Claim Service, der US-Dienststelle am Bois de Boulogne, mancherlei Gelegenheit. Zur Zeit lagen an die dreißigtausend Erstattungsanträge mit einer geforderten Summe von mehr als 10 Millionen Dollars vor, und die durchwühlte der kleine ›Roi-Soleil‹ wie ein Mistbeet nach Regenwürmern. Im Gegensatz zu den anderen französischen Verbindungsoffizieren, die zu ihren früheren Waffenbrüdern ein kameradschaftlich-freundschaftliches Verhältnis pflegten, wirkte Prenelle feindselig, offensichtlich mit persönlichen Ressentiments befrachtet.
    Paris war die oberste Instanz des Claim Service, eine Beschwerdestelle gab es in jeder größeren französischen Stadt – zu überprüfen waren Schäden, die durch GIs in und außer Dienst verschuldet worden waren, vom einfachen Flurschaden über Unfälle bis zu Verbrechen.
    Soldaten sind keine Tugendbolde, und so fuhren Bongo und ich die US-Offiziere, Sachverständige und Juristen, kreuz und quer durch das Land. Wegen Arbeitsüberlastung wurden wir mitunter sogar als Ermittler eingesetzt, und nicht nur bei dieser Einrichtung der US-Armee wirkten deutsche PoWs zunehmend als eine Art Hilfs-Sheriffs der Amerikaner.
    Natürlich entwickelte sich ein gegenseitiger Schacher, weil die verarmten Franzosen die Entschädigung möglichst hoch ansetzten und die reichen Amerikaner sie möglichst niedrig zu halten versuchten; aber es gab auch viel guten Willen und großzügige Gesten auf beiden Seiten. Ich erinnere mich an einen Bauern in der Normandie, dem 7500 Francs – der Dollar wurde mit 50 Francs bewertet – zugesprochen worden waren. Nach zwei Tagen schickte er den Scheck an den Claim Service mit der Bemerkung zurück, daß er verzichte, da ihm die Befreiung seines Landes diesen Betrag wert sei.
    Die Untersuchung war häufig sehr schwierig, weil die Missetäter, demobilisiert, längst in die Staaten zurückgekehrt waren. Jeder Zweihundertste von ihnen mußte vor ein Kriegsgericht; es waren meistens Bagatellfälle, seltener Vergehen, doch mitunter auch Verbrechen.
    Die ersten Monate und Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten eine Blütezeit der Bigamie. Viele GIs waren von ihren Gespielinnen so begeistert, daß sie diese ehelichten, dabei aber vergessen hatten, daß sie drüben schon verheiratet waren. Die Frühehe ist in Amerika so etwas wie ein Schutz gegen das Lotterleben, aber nach ihrem Kreuzzug gegen Hitler hatten Millionen junger kräftiger Männer aus einem puritanischen Land, in dem mitunter selbst das Erlaubte noch verboten war, zunächst auf der britischen Insel, dann in Italien, in Frankreich und zuletzt in Deutschland eine donnernde Entdeckung gemacht: die europäische Frau. Auf einmal waren US-Männer mehr als gehorsame Söhne und kreuzbrave Ehemänner, mehr als Kofferträger, Ernährer und auch mehr als Petting-Partner; es blieb in der Zweisamkeit nicht mehr bei einem Liebesspiel, das alles erlaubte bis auf das Eigentliche.
    »Listen, Bangow«, erklärte Captain Wannamaker seinem Haus- und Hofhund den Run auf die French Girls, »bei ihnen darfst du das Licht im Schlafzimmer anknipsen, und du kommst dir nicht vor wie ein Schweinehund, den sie über sich ergehen lassen müssen. Well, zumindest im Bett kann hier eine Hure netter zu dir sein als drüben eine Ehefrau.«
    Er war mit Kalle unterwegs in der Gegend von Lyon. Sie blieben über die Zeit. Entweder hatte sich die Untersuchung dort als ungewöhnlich schwierig herausgestellt, oder die privaten Gelegenheiten erwiesen sich als außerordentlich günstig, und Bongo war ja der Typ, der überall gleich Wurzeln schlug.
    Am Abend wurde ich zu Captain Gransmith gerufen; er kauerte am Tisch seines Quartiers, und sein Gesicht wirkte zerknittert. Die ›Jack Daniels‹-Flasche, die vor ihm stand, war bereits zu zwei Dritteln geleert. Sicher verfügte er noch über weitere Vorräte.
    »Sit down, Steve«, lud er mich mit schwerer Zunge ein. »Let's have a drink. Mir fehlen nur noch zwei Punkte zur Rückkehr in die Staaten«, lallte

Weitere Kostenlose Bücher