Heldensabbat
öffnete: Es war Madame. Sie mußte auf dem Balkon ein Sonnenbad genommen haben; sie trug einen Strandanzug, der viel Haut zeigte, viel Frische, viel Frau.
»Bonjour, Madame«, sagte ich hastig. »Peux-je prendre la malle de Monsieur?« bat ich um Prenelles Koffer.
Sie sah mich an, als hätte sie mich nicht verstanden; womöglich hatte sie auch gar nicht die Sonne genossen und wollte sich durch diese Aufmachung nur in meiner Verwirrung sonnen.
»À bout de souffle?« spielte sie wieder auf meinen kurzen Atem an und lächelte aggressiv. »Viens«, sagte sie dann und ging voraus.
Ich stellte fest, daß sie wunderbar gewachsen war, etwa 1 Meter 70, herrliche Schultern, schmale Hüften. Keine Spur zu füllig. Sie öffnete die Tür, und das erste, was ich sah, war der Hausherr in Öl als Kolossalschinken über dem breiten Bett: Alain Prenelle mit seinem bizarr geformten Schnurrbart, dessen Enden durchhingen wie die Zweige einer Trauerweide.
Ich stand da und wartete auf den Koffer. »La malle, Madame, s'il vous plaît«, wiederholte ich.
»Qu'est-ce que tu désires?« schüttete sie Öl ins Feuer. »La malle ou moi? Den Koffer oder mich? Tu trembles comme une feuille«, stellte sie fest.
Falls ich tatsächlich wie Espenlaub zitterte, dann jedenfalls nicht aus Angst. »Au grand jamais«, behauptete ich. »Nie und Nimmer.«
»Au grand jamais?« spöttelte sie und sah mich fest an. »Alors, fais quelque chose!«
Ich ließ mich nicht ein zweites Mal auffordern, etwas zu unternehmen.
Ich stürzte mich auf Adrienne wie sie sich auf mich.
Ineinander gekeilt fielen wir auf das breite Bett unter Alain Prenelles kitschig-buntem Konterfei. Bevor der Sturm sich entlud, dachte ich noch verschwommen daran, daß der Gehörnte sich in Marseille wohl eine neue Zahnbürste kaufen müßte.
Adrienne war ein Vulkan mit wilden Eruptionen. Sie übertraf tatsächlich alles, was man in Männerkreisen über die erotischen Qualitäten der Französin gehört, erträumt und kolportiert hatte. Den Koffer des Hausherrn packte ich schließlich selbst und lieferte ihn am nächsten Morgen mit US-Kurierpost und der Entschuldigung nach, in einem Verkehrschaos hängengeblieben zu sein.
Das war durchaus glaubhaft, aber man mußte schon eine Binde über den Augen tragen, um nicht zu erkennen, was sich in den nächsten Wochen zwischen Adrienne und mir abspielte.
Sie war eine Leihgabe, eine Geliebte auf Zeit, kapriziös, exzentrisch, zärtlich und bestimmend. Vor allem bestimmend. Ich hatte wenig zu entscheiden und lebte nach der Devise: Ein Kavalier gehorcht und genießt. Wir unterhielten uns in einem drolligen Gemisch von Französisch-Englisch-Deutsch. Seltsamerweise konnten wir uns in dieser selbstgemachten Bastardsprache am besten verständigen. Auch wenn der Mann, den wir hintergingen und nur noch ›le cocu‹ nannten, den Hahnrei, in Paris war, trafen wir uns.
Adrienne hatte keinerlei Hemmungen, sich mit mir in der Öffentlichkeit zu zeigen. Mitunter kam mir der Verdacht, sie lege es geradezu darauf an, ihren ungeliebten Ehemann zu demütigen. Natürlich fragte ich sie, warum sie Prenelle eigentlich vor drei Jahren geheiratet habe. Ich erhielt nur umschreibende oder ausweichende Antworten, aber schließlich setzten sich die Steinchen doch zu einem Mosaik zusammen.
Wir gingen Arm in Arm durch den Jardin du Luxembourg, durchstreiften die Quartiere der Maler und Poeten und die lichtlosen, verwinkelten Gassen am Montmartre mit ihren Durchbrüchen, Treppen und Sackgassen. Bongo gab mir so viel Geld, wie ich brauchte, und griff zusätzlich in die Tasche, um meine Garderobe zu verbessern. Eine US-Windbluse und eine Drillichhose waren wohl nicht die richtige Aufmachung für einen Galan, auch wenn es in Paris bekanntlich als chic gilt, der möglichst salopp gekleidete Begleiter einer eleganten Dame zu sein.
»Du machst dich, Stefan«, lobte Kalle. »Du warst ja schon ein richtiger Trauerkloß geworden.« Er grinste. »Adrienne kam gerade noch rechtzeitig. Sie tut dir gut. Ich glaube, die würde jedem gut tun.« Er senkte die Stimme: »'ne echte Leistung, als Boche-PoW die Frau eines Lieutenant-Colonel zu pimpern.«
»Drück dich gewählter aus«, erwiderte ich.
»Das«, räumte er ein, »hätte nicht einmal ich geschafft.«
»Ich hab' Adrienne ja auch nicht geschafft«, schränkte ich ein. »Sie hat mich geschafft.«
»Das ist doch egal«, erklärte Bongo. »Der Endeffekt ist der gleiche. Aber ein bißchen vorsichtiger solltest du vielleicht
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