Heldenstellung
mir verstohlen-neugierige Blicke zu.
»Willkommen bei Caesar & Horn, mein Sohn«, sagt er stolz und deutet mit dem Arm einmal im Kreis um sich herum. »Eines Tages wird all das dir gehören.«
Ich sehe ihn erschrocken an. Sofort schüttelt er den Kopf. »Nee, war nur ein Scherz. Dafür bist du nicht gut genug.«
Wie lustig. Es lächelt nur die Assistentin. Mein Vater sieht von ihr zu mir. »Das ist Jessica, meine rechte Hand. Und das ist Frederick, mein Sohn. Er war in letzter Zeit viel in Berlin.«
»Wie unkonventionell«, meint Jessica.
Mein Vater sieht sie strafend an, Jessica errötet. »Entschuldigung, ich bin nur gern ehrlich.« Er räuspert sich vernehmlich. »Aber sonst ist sie wirklich eine gute Kraft.«
»Das stimmt«, meint Jessica.
Nachdem mein Vater noch ein Papier unterschrieben hat, weist er seine Assistentin an, in seinem Büro zu warten.
An einem länglichen Bistrotisch im ersten Stock entdecke ich eine Gruppe junger Männer und Frauen, die aussehen wie Auszubildende der Sparkasse. Sie tragen sogar fliederfarbene Hemden.
»Das sind unsere Recruits. Die zehn Prozent Elite jedes Jahrgangs, die Sieger, diejenigen, die jede Prüfung mit Auszeichnung bestehen, angefangen mit ihrer Geburt.« Er winkt, aber keiner der jungen Leute winkt zurück.
»Sie haben gerade gemerkt, dass sie an der Spitze der Nahrungskette nicht allein sind. Das verunsichert sie.«
Die Armen.
»Das Konzept fixer Arbeitsplätze passt nicht zu uns«, fährt mein Vater fort. »Wir arbeiten überall auf der Welt. Die Firmenzentrale soll ein Lebensgefühl widerspiegeln, das der Kunde zusammen mit unserer Dienstleistung erwirbt: Flexibilität, konstruktive Atmosphäre und perfekte Kommunikationsstrukturen. Unsere Leute kommen nicht hierher, weil sie arbeiten müssen, sondern weil sie hier sein wollen. Hier können sie sich mit Kollegen kurzschließen oder Präsentationen vorbereiten.«
Er zwinkert mir zu. »Sie sollen hier keine Fotos von ihrer Familie aufstellen, sie sollen hier ihre Familie finden.«
»Arbeitet dieser Adam auch hier?«, frage ich.
»Ja, aber der hält gerade eine Präsentation. Warum?«
»Er kann mich nicht leiden«, sage ich. »Könnte sein, dass er Lügen über mich erzählt.« Mein Vater seufzt. »Leg dich nicht mit Adam an. Der hat schon als kleiner Junge ins Poesiealbum als Lieblingsessen Thaiboxer geschrieben.«
Am »Coffee Point« bleiben wir stehen. Der ist eigentlich eine italienische Bar samt Barista, der neben einer meterbreiten chromfarbenen Kaffeemaschine die Satzbehälter ausschlägt. Er sieht mich an und stellt mir einen Espresso hin, ohne dass ich bestellen muss.
»Lecker«, sage ich anerkennend.
Mein Vater nickt. »Natürlich. Das ist der größte Vorteil in meinem Job: Man bekommt immer nur das Beste – die besten Restaurants, die besten Partys, die besten Hotels, den besten Kaffee.«
»Wie viel verdient ein Berater eigentlich bei euch?«
»Einstiegsgehalt sind 80 000,– plus Prämien. Wieso?«
»Weil du mir bestimmt einen Job als Berater anbieten willst.«
Er sieht mich entsetzt an. »Auf gar keinen Fall! Du bist von der Business School geflogen und hast nicht mal einen anständigen Abschluss gemacht.«
Stimmt. Ich hatte Schwierigkeiten, mich in die Klassengemeinschaft zu integrieren, und bin mit einem Heavy-Metal-Freak in der Außenseiterecke gelandet, bis wir gemeinsam der Schule verwiesen wurden, weil wir die Statue des Schulgründers als Che Guevara verkleidet hatten. Danach bin ich nach Berlin ausgewandert.
»Ich habe Erfahrung auf ganz verschiedenen Gebieten«, beginne ich. »Als Fahrradkurier, Schaffner, ich habe Autos zurückgeführt und in der Gastronomie . . .«
Mein Vater verschluckt sich an seinem Wasser, der Kellner will ihm schon auf den Rücken hauen, traut sich aber dann doch nicht.
»Sorry, but no!«, stößt mein Vater hervor und trinkt das kleine Wasserglas, das ihm der aufmerksame Barista hingestellt hat, in einem Zug leer. »Du arbeitest überhaupt nicht zielorientiert.«
Ich kippe meinen Espresso aus und schaue zu einem alten Mann hinüber, der mit einem kleinen Handwagen Pakete ausfährt. Mein Vater sieht meinen Blick.
»Das ist Wolfgang Graf, ehemaliger Partner bei Caesar & Horn. Er hat vor dreißig Jahren die Firma mit gegründet, ist längst im Ruhestand, kann sich aber nicht von uns trennen. Deshalb haben wir ihm ein Büro gegeben und ihn zum Paperboy gemacht.«
Ich sehe, wie der alte Mann mit zittrigen Händen ein Paket aus dem
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