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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Postwägelchen nimmt und einem Jungen überreicht, der ein Telefon am Ohr hat. Ohne sein Gegenüber eines Blickes zu würdigen, zeichnet der junge Typ einen Zettel ab. Der ehemalige Partner grüßt und zieht weiter.
    »Wir werden ihm die Möglichkeit geben, sich umzuorientieren.«
    »Du schmeißt ihn raus«, korrigiere ich. »Das ist es doch, was Unternehmensberater machen: Ihr schmeißt Leute raus.«
    »Wir setzen frei, um Effizienz zu optimieren. Aber nicht nur das: wir stellen Hypothesen auf, überprüfen, verfeinern und passen sie an, bis zum Problem fitten. Auf dieser Basis entwickeln wir eine Strategie. Eigentlich eine sehr kreative Arbeit. Allerdings muss man dafür qualifiziert sein, und das bist du nicht. Deshalb biete ich dir einen Job als Paperboy an. Für 40 000 Euro brutto im Jahr, bei einer Sechs- bis Sieben-Tage-Woche. In acht bis zehn Jahren bist du schuldenfrei.«
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«, frage ich.
    Mein Vater verzieht keine Miene.
    »Du hast bisher offenbar geglaubt, das Leben sei ein Kindergeburtstag. Und wenn dir beim Supermanspielen einer wehtut, dann kommt dein reicher Daddy und holt dich ab. Vergiss es. Du schuldest mir eine Viertelmillion, die wirst du hier abarbeiten. Nenn es eine Lektion in Demut.«
    Er hat ja recht. Trotzdem, die Aussicht, die nächsten Jahre diesem Adam jeden Monat seine wahrscheinlich sechsstellige Gehaltsabrechnung zu bringen, schlägt mir auf den Magen. Vielleicht es auch der ungewohnt gute Kaffee.
    »Überleg es dir«, meint mein Vater und sieht auf seine Uhr. »Ich habe noch einen Termin, bin aber gleich wieder da. Du kannst hier warten und dir ein bisschen Gedanken über deine Zukunft machen.« Er steht auf und ist im nächsten Moment verschwunden.
    Ich bitte den Barista um ein Glas Leitungswasser. »Wo ist denn die Toilette?« Er deutet einen Gang hinunter und dann nach links. Ich stehe auf und folge seiner Beschreibung. Den Eingang zum Männerklo blockiert ein Putzwagen. Ich quetsche mich vorbei und stehe kurz darauf neben einer Putzfrau, die Pissoirs reinigt. Auch eine ehemalige Partnerin?
    »Geh woanders!«, ruft sie mir zu und scheucht mich mit einem Winken ihres Gummihandschuhs aus dem Raum. Egal. In jedem großen Büro sind die Toiletten an der gleichen Stelle – nur eben auf einer anderen Etage. Also suche ich die nächste Treppe und renne durch die Gänge, bis ich vor einer Tür stehe, die nach meinen Berechnungen direkt unter den Toiletten von eben liegen muss.
    Es steht kein Schild daran, aber wahrscheinlich wird das auch gerade gereinigt. Habe jetzt keine Zeit, über so was nachzudenken, es ist dringend. Ich drücke die Klinke herunter. Im Raum ist es dunkel, bis auf eine erleuchtete Wand. Meine Augen brauchen einen Moment, bis sie sich an Dunkelheit gewöhnt haben. Ich taste nach einem Schalter und mache Licht.
    Sofort drehen sich alle Köpfe in meine Richtung, acht Männer und eine Frau schrecken hoch. An die weiße Wand ist eine PowerPoint-Grafik geworfen. Ganz oben steht »N-Dermisant plus«, darunter stehen unter anderem eine ganze Menge Fragezeichen. Davor steht Adam.
    »Entschuldigung«, sage ich und mache instinktiv einen Schritt rückwärts. »Falsche Tür, ich wollte nur . . .«
    Aber Adam kommt schon auf mich zu und schüttelt mir die Hand. Er deutet in die Runde. »Das hier ist Richards Sohn Frederick.«
    Sofort beginnen die Anwesenden zu murmeln.
    »Er kommt von unserem Büro in Berlin und gilt als heißer Anwärter auf die Nachfolge seines Vaters.«
    »Eher als heißer Anwärter auf die Stelle des Paperboys«, stelle ich richtig. Die Runde lacht.
    »Frederick macht gerade Heimaturlaub«, fährt Adam fort und schiebt mich nach vorn zum Laptop. »Aber eigentlich sind wir Berater ja nie im Urlaub.« Die Anwesenden grinsen wissend.
    »Frederick ist Spezialist für internationale Märkte«, sagt Adam, als ich vor versammelter Runde stehe, und wendet sich mir zu. »Es ist super, dass Richard dich geschickt hat, ich glaube, ein frischer Blickwinkel tut uns gerade ganz gut.« Die Männer in der Runde nicken dankbar. Adam deutet auf die Präsentation.
    »Strong Pharma lanciert ein neues Produkt auf dem deutschen Markt«, fährt Adam fort, »ein absolutes Must-have in Sachen Well-Being: N-Dermisant plus. Wir wollen den Set vor dem Rollout noch aufbeefen. Unsere größte Herausforderung ist die Zulassung in Deutschland. Es gab nicht ausreichend Testings, weshalb wir wahrscheinlich keinen Full-Take-off hinbekommen.«
    Ich

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