Heldenzorn: Roman (German Edition)
Sonst …«
Teriasch schüttelte ihre Hände von sich ab. »Sonst tust du mir etwas Grauenhaftes an, ich weiß.«
»Ich will ihr nur unnötiges Leid ersparen.«
»Ich verstehe.«
»Oh, da war aber jemand sehr müde.« Rukabo war geräuschlos durch die Tür geschlüpft. Der Halbling war nicht länger nackt, sondern hatte sich mit einem neuen Satz der Kleidung eingedeckt, die man für Nescas Leibsklaven bereithielt. Er ahmte lässig einen Salut nach, als wäre er der kleinste Gardist, den Kalvakorum je gesehen hatte. »Melde gehorsamst: Auftrag ausgeführt.«
»Gut, dass du da bist«, begrüßte ihn Carda freundlich.
»Danke.« Rukabo kratzte sich am Hintern. »Moment. Da stimmt doch was nicht. Warum freust du dich so, mich zu sehen?«
»Weil ich noch einen Auftrag für dich habe, und weil …« Carda stutzte. »Warum sind deine Pfoten so rot wie Krebse?«
»Der Kater von Kalvakorum achtet eben auf Sauberkeit.« Rukabo schnupperte hastig an seinen Fingern. »Was gibt es daran auszusetzen?«
»Nichts. Hör zu.« Carda bugsierte den Halbling zum Bett. »Du bleibst hier und passt auf Ihre Hoheit auf. Niemand betritt diesen Raum. Wenn jemand kommt und klopft, sagst du, sie spielt mit einem ihrer anderen Sklaven das Spiel der Leiber und möchte nicht gestört werden.«
Rukabo grinste Teriasch an. »Dieser andere Sklave wärst dann wohl du.«
Teriasch lächelte betreten.
Rukabo kroch auf das Bett und roch an einem der Kissen. »Uh, Lavendel«, machte er. »Ob ich da die Augen offen halten kann?«
Carda zog ihn am Ohr. »Keine Faxen.«
»Au, au, au.« Rukabo schlug nach ihrer Hand, doch sie hatte ihn schon wieder losgelassen, ehe er sie treffen konnte. »Du bist ein garstiges Weib«, maulte er.
»Und du.« Carda zeigte auf Teriasch. »Du kommst mit mir.«
»Wohin?«
»Wir machen einen kleinen Spaziergang in den Herrschaftlichen Gärten.«
Die Rosenblüten erglühten im Licht der untergehenden Sonne. Vereinzelt summten die letzten mutigen Bienen durch die kleine Laube, die vom Boden bis zum Dach von kräftigen, dornigen Ranken umklammert war. Teriasch sog den Duft ein, der in ihr herrschte, und er kam ihm süß, kostbar und zerbrechlich vor. Er genoss das sanfte Flüstern des Windes, der die Blätter zittern machte. Seine Begleiterin hingegen schien völlig unempfindlich für die Reize dieses Ortes. Sie stand einfach nur da, als wollte sie die langen Schatten in diesem entlegenen Winkel der Herrschaftlichen Gärten mit düsteren Blicken vertreiben.
»Worauf warten wir?«, fragte er, als das Licht sein Rot mehr und mehr an das zögerliche Blau der jungen Nacht verloren hatte.
»Wir warten auf sie.«
Auf einem der beiden Wege, die zu der Laube führten, knirschten Schritte auf dem Kies. Carda wandte ihnen rasch den Rücken zu, während Teriasch interessiert Ausschau hielt, wer sich ihnen da näherte. Die kahlköpfige Frau mit dem kantigen Schädel behandelte Teriasch wie Luft, als sie in die Laube trat.
»Diantis«, sagte Carda, ohne sich zu ihrer Ordensschwester umzudrehen.
»Carda«, antwortete die Leibwächterin des Pollox und wandte nun ihrerseits der anderen Kriegerin den Rücken zu.
Ist das ein Ritual? Ein Duell? Tragen sie gleich einen Kampf aus, als Stellvertreter ihrer Schutzbefohlenen? Teriasch beschloss, dass es vorerst das Beste war, die Begegnung aufmerksam, aber schweigend zu verfolgen. Auch wenn ihn keine der Scharlachroten Rosen anblickte, plagte ihn dennoch das nagende Gefühl, unter genauer Beobachtung zu stehen. Aber von wem? Den Bienen? Den Büschen? Oder sind diese beiden Frauen nicht nur Kriegerinnen? Sind sie wie Schamaninnen, die an einen der besonderen Orte gekommen sind, an denen Geister zu ihnen sprechen? Er wünschte sich plötzlich, er hätte Schwarzschwinges Zahn griffbereit, doch die Waffe, die ihm der Drache gegeben hatte, lag sicher verwahrt unter seinem Bett. Ob es mir überhaupt erlaubt wäre, in einen Kampf einzugreifen?
»Die eine Rose hat darum gebeten, etwas über die Blüte der anderen zu erfahren«, sagte Diantis. »Aus welchem Grund?«
»Aus dem einzigen, der uns gestattet ist«, entgegnete Carda. »Die eine Rose fürchtet, die Blüte der anderen könnte ihrer eigenen die Sonne nehmen wollen.«
»Woher wehte der Wind, der diese Kunde trug?«, fragte Diantis.
»Von einem verstoßenen Gärtner«, antwortete Carda. »Und diese Rose hat …« Sie verstummte und sprach unvermittelt Teriasch an. »Sieh nach, was das war.«
»Was?« Teriasch sah sich erschrocken
Weitere Kostenlose Bücher