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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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spannte unwillkürlich die Beine an, als trieben ihn seine Instinkte dazu, sich auf die Ordenskriegerin zu stürzen. »Hast du sie vergiftet?«
    »Für jemanden, der sie noch vor wenigen Tagen angeblich so sehr gehasst hat, bist du auffällig um das Wohlergehen Ihrer Hoheit besorgt«, befand Carda. »Aber nein, ich habe sie nicht vergiftet. Ich habe ihr nur Schlaf geschenkt, mehr nicht. Und die Unterstellung sei dir verziehen, weil du ein Barbar bist. Deinem fetten Freund hätte ich dafür die Zähne in den Hals geschlagen.« Die Zartheit, mit der sie Nesca eine rote Strähne aus der Stirn strich, spottete ihre harten Worte Lügen. »Es heißt, der Stich des Süßen Dorns erlaubt es einem, von dem zu träumen, was man sich am sehnlichsten wünscht. Sie träumt sicher von einer Welt, in der die Ordnung nicht aus den Fugen geraten ist. In der ihre Mutter noch lebt und ihr ihre Geschichten erzählt. In der sie nichts von Sklaven und Freien weiß, von Letzten Seufzern und falschen Häuptlingen.«
    Teriasch suchte nach Wut in sich und fand nur Trauer. »Sie träumt also eine Lüge.«
    »Mag sein.«
    »So wie ihr waches Leben eine Lüge ist.« Er schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht dumm. Sie weiß, mit welchen Lügen sie lebt. Warum glaubt sie nur, ihre Mutter hätte ihre eigene Sippe verlassen und wäre von allein hierhergekommen?«
    »Weil es der schönere Gedanke ist«, sagte Carda ruhig. »Der Gedanke, mit dem sich leben lässt. Ich habe ihre Mutter einmal gesehen, weißt du? Bei ihrem Vermählungsumzug. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Der Dominex hat sich viele Frauen genommen, aber diese war etwas Besonderes. Nicht weil er auf jede Straße und jede Gasse der Stadt Blüten streuen ließ. Nicht weil er ihr zuliebe hundert Feles und hundert Stiere opferte. Nicht einmal weil sie eine Barbarin war, denn damit war sie nicht allein. Nein …« Cardas Augen blickten durch Teriasch hindurch in eine ferne Vergangenheit. »Aber sie war die erste und einzige Wilde von der Steppe, der diese Ehre zuteilwurde, die erste Frau aus einem Pferdestamm. Sie war das Geschenk, das aus dem Lexis, der die Steppe für ihn zähmen sollte, den Pollox machte. Er hat sie ihm gebracht. Sie war strahlend schön. Es war Jahre, bevor ich Novizin wurde, die Jahre, in denen ich selbst noch Träumen nachhing, eines Tages an ihrer Stelle zu sein. Umjubelt, von allen geliebt, gehüllt in ein Kleid, dessen Schleppe so schwer vor Edelsteinen war, dass ein Dutzend starker Sklaven sie tragen musste. So stolz schritt sie seiner schwarzen Sänfte voran, so … entrückt. Sie war nicht würdevoll. Sie war die Würde selbst. Eine Hand auf ihrem Bauch, das Haupt erhoben, die Züge ungerührt, ein Fels, der dem Sturm stumm entgegnet: ›Wenn du nicht mehr bist, werde ich immer noch sein.‹« Carda fuhr sich langsam über den geschorenen Schädel. »Ich war damals noch zu jung, um zu begreifen, woher sie diese Kraft nahm. Ich konnte ihr Geheimnis nicht durchschauen. Das gelang mir erst, nachdem ich meine Schwüre geleistet hatte und erkannte, worauf ich damit alles verzichtete. Dabei war es so offensichtlich. Ihre Hand auf dem Bauch hat sie verraten. Sie hatte die Selbstvergessenheit einer Mutter, in der neues Leben heranwächst. Ein Leben, das für sie mehr zählt als ihr eigenes. Für das sie zu allem bereit ist. Bereit, jede Last auf sich zu nehmen. Sogar die, jenem Mann die Gattin zu sein, der der Mörder ihres Volkes ist.«
    Teriasch beobachtete einen Moment lang die schlafende Nesca. »Warum sagst du ihr das alles nicht?«, fragte er dann schließlich.
    »Es würde nichts ändern.« Carda zog vorsichtig Nescas Decke zurecht. »Alles, was ich dir erzählt habe, hat heute noch ungefähr so viel Belang wie das, was sie gerade träumt.«
    Das stimmt nicht. Es muss etwas ändern. Weil es die Wahrheit ist. Teriasch stand auf und fing an, so ziellos durch das Zimmer zu wandern, wie Nesca es zuvor getan hatte. »Der Dominex weiß es doch sicher auch. Und er zieht sie trotzdem groß wie sein eigenes Kind?«
    Carda machte eine wegwerfende Geste. »Eine Pupula mehr oder weniger …«
    »Sie ist sogar seine Favoritin«, hielt Teriasch dagegen.
    »Vielleicht gerade, weil sie nicht die Frucht seiner Lenden ist. Wer weiß schon, was im Kopf eines Mannes vor sich geht, der so alt ist wie der Dominex?« Sie erhob sich ebenfalls und gebot Teriaschs Schritten Einhalt, indem sie ihn fest an den Schultern packte. »Du wirst das alles für dich behalten, hörst du?

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