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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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sind. Und damit sie nicht weglaufen.«
    Teriasch fasste sich unwillkürlich an den Hals. »Wie geht das? Sie haben keine Ketten? Wieso können sie nicht weglaufen?«
    »Das findest du noch heraus.« Arka seufzte. »Allerdings hoffentlich nicht am eigenen Leib.«
    Er will es mir nicht verraten. Ist es ein Geheimnis? Teriasch entschied, die Sache auf sich beruhen zu lassen. »Du hast gesagt, Sklaven würden jemand anderem gehören als sich selbst. Wem gehören diese Sklaven?«
    »Den freien Bürgern, die das Land hier besitzen, schätze ich mal.«
    »Und wem gehöre ich, wenn ich nicht mehr mir selbst gehöre?«
    »Im Augenblick gehörst du noch Spuo.«
    »Noch?«
    »Stell nicht so viele Fragen, ja?«
    Teriasch hielt den Mund. Nicht, weil ihm die Fragen ausgegangen wären. Er hatte das ungute Gefühl, dass Arka darum bemüht war, ihm eine bittere Wahrheit zu ersparen.
    Der Zug erreichte schließlich eines jener festen Lager, in denen die Harten Menschen lebten. Es konnte keine Stadt sein, denn dafür war es zu klein und es lebten zu wenig Menschen in ihm. So viel wusste Teriasch, denn er hatte immer genau zugehört, wenn Pukemasu von der grauen Vorzeit berichtete, in der die Sippen noch nicht nach den Geboten der Ewigen Wanderin gelebt hatten und frei durch die Steppe gestreift waren. Da Arka ihm verboten hatte, zu viele Fragen zu stellen, bediente sich Teriasch einer List, um seine Neugier zu befriedigen und eine Bestätigung für seine Vermutung zu erhalten. »Das ist keine Stadt«, sagte er mit Nachdruck.
    »Stimmt«, brummte Arka. »Es ist nur ein verbocktes Dorf. Aber weißt du was?«
    »Nein, weiß ich nicht.«
    Arka lachte. »Nach der Steppe kommt mir diese armselige Ansammlung von Hütten glatt wie Kalvakorum vor.«
    Kalvakorum? Das habe ich schon einmal gehört. Aber von wem? Von Arka? Teriasch erhielt nicht die Gelegenheit, sich lange Gedanken über dieses Rätsel zu machen.
    Was ihn daran hinderte, waren die Bewohner des Dorfes. Nicht diejenigen, die Kollare um den Hals hatten – diese Leute schauten kaum auf, als der Tross vorüberzog. Sie schleppten weiter ihre Lasten, setzten weiter Stein auf Stein beim Bau einer Mauer, misteten Stallungen aus oder wuschen Wäsche in großen Zubern. Und wenn sie denn doch aufschauten, dann nur, um Teriasch und den anderen Gefangenen mitleidige Blicke zuzuwerfen. Die, die keine Sklaven waren, zeigten sich hingegen wesentlich interessierter an den Neuankömmlingen – genau genommen an den Soldaten. Frauen steckten ihnen Blumen an die Helme oder reichten ihnen Brot und Käse. Männer klopften ihnen auf die Schultern und hielten ihnen Becher mit Wein hin. Kinder sprangen neben ihnen her und sangen Loblieder auf ihre Tapferkeit oder neckten sie durch freches Zupfen an ihren Umhängen. Selbst für die Rüsselschnauze hatten sie Nüsse als Leckerei bereit. Nur den Gefangenen schenkten sie keinerlei Aufmerksamkeit.
    Es ist, als wären wir unsichtbar. Es ist, als wären wir tot. Teriasch war froh, als sie das Dorf hinter sich ließen, doch seine Freude währte nur kurz. Der schier unerträgliche Gestank von Harn brannte ihm plötzlich in der Nase. Er stammte aus flachen Becken am Straßenrand, die Teil einer größeren Anlage waren. Vor einem langen, flachen Haus waren Tierhäute in Gestellen aufgespannt, von denen Sklaven die Fleischreste schabten. Andere stocherten mit Stangen in den Becken, um die aufgequollenen Häute darin zu wenden.
    Es war der Werkstoff der Ledermacher, der Teriasch die Tränen in die Augen trieb – Tränen, die er trotzig fortwischte, um danach den Blick fest nach vorn zu richten. Meine Haut und alles, was auf ihr geschrieben steht, wird verloren gehen. Es wird so sein, als hätte es mich nie gegeben. Meine Sippe wird mich vergessen. Sein scharfer Verstand rief ihm unerbittlich ins Gedächtnis, wie viele Tage verstrichen waren, seit er in die Fänge der Harten Menschen geraten war. Erneut rang er um Fassung und unterdrückte ein Schluchzen, indem er leise knurrend die Zähne zusammenbiss.
    »He, lass das!« Arka hatte den Helm abgesetzt und aß eine rote Frucht, die ihm eine Frau im Dorf geschenkt hatte. »Was soll das?«
    »Ich bin tot«, sagte Teriasch.
    Arka stutzte. »Nun übertreib mal nicht. Für mich siehst du ziemlich lebendig aus.«
    »Für meine Sippe«, erklärte Teriasch und spürte mit einem Mal jeden Schmerz, den ihm die Behandlung durch die Harten Menschen bereitete, um ein Vielfaches verstärkt. Die Blasen an seinen Füßen. Die wunden

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