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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Berg. An ihren Eckpunkten erhoben sich Türme, die mit dem Himmel selbst zu wetteifern schienen. Teriaschs Blick blieb an ihren Spitzen hängen, von denen jede auf ihre Weise ein eigenes Wunder bereithielt. Eine war von grünen Dornenranken überwuchert, auf denen gigantische Blüten ihre bunten Blätter entfaltet hatten. Eine andere spie beständig dichten schwarzen Rauch aus, als loderte im Fuß des Turms ein unersättliches Feuer. Von der dritten stürzten zu allen Seiten aus großen Löchern breite Wasserströme in die Tiefe, in die der Wind fuhr, um sie zu feinem Nebel und unzähligen Regenbögen zu zerstäuben, noch ehe sie den Boden erreichen konnten. Die vierte Spitze war zugleich die merkwürdigste, denn sie war nicht mehr als ein großer, gläserner Ring, an dem flatternde Girlanden befestigt waren.
    Teriasch sah zu Arka.
    »Was?«, knurrte der Soldat.
    »Darf ich eine Frage stellen?«
    »Von mir aus …«
    »Wozu sind diese Türme da?«
    »In ihnen hat der Subveheros die …«
    Der Rest seiner Antwort ging in aufgeregtem Geschrei von vorn unter.
    »Scheiße«, fluchte der Soldat.
    Teriasch reckte den Kopf, um zu erkennen, um wen drei von Arkas Kameraden da herumstanden. Einer von ihnen machte einen raschen Schritt nach hinten, um einer wachsenden Blutlache auszuweichen, die auf seine Stiefelspitzen zukroch. Durch die Lücke sah Teriasch den letzten Krallendaumen-Krieger, der die Schlacht um die Arx überlebt hatte, auf dem Boden liegen. Seine Beine zuckten noch einmal schwach, dann verloren sie jegliche Kraft.
    »Verbockte Scheiße«, murmelte Arka.
    Der Gefangene hatte sich den langen Nagel seines rechten Daumens durch das Auge in den Schädel gestoßen.
    Teriasch wollte schon zum Lied für gefallene Krieger ansetzen. Dann fiel ihm wieder ein, wo er war. Das ist das Land der verlogenen Geister. Hier gibt es keinen Geist, der mein Lied zu den Ahnen dieses Mannes tragen würde. Er wandte den Blick zu den Türmen Kalvakorums. Nur Geister, die den Harten Menschen einreden, sie könnten der Ewigkeit trotzen.
    Schon bei seinen ersten Schritten durch die Randbezirke Kalvakorums lernte Teriasch zwei Dinge. Diese Stadt war laut, und sie stank.
    Das Lärmen um ihn herum war ein Chor aus vielen Stimmen. Vor manchen Häusern saßen Menschen auf langen Bänken, lachten grell und stießen Becher aneinander. Andere standen klatschend und johlend um tanzende Männer und Frauen, die außer schellenbehängten, halb durchsichtigen Tüchern um die Hüften keinen Faden am Leib trugen. Probaskas schnaubten und gaben Donnerlaute von sich. In Käfige eingesperrte Vögel gackerten und kreischten. Greise, die in lange zurückliegenden Schlachten Arme oder Beine eingebüßt hatten, schüttelten Schalen, in denen winzige Metallscheiben klirrten. Eisenbeschlagene Räder von Fuhrwerken kratzten und schabten über das Straßenpflaster. Peitschenknallen. Der Hufschlag großer Pferde. Laute Rufe, die saftige Früchte und kühles Wasser anpriesen. Gongschläge und das Grunzen und Quieken von Opfertieren aus den Tempeln.
    Der Geruch der Stadt setzte sich aus einer nicht minder großen Zahl von Duftnoten zusammen. Da war das würzige Aroma von gebratenem Fleisch. Süßliche Rauchschleier aus Häusern, in denen ausgezehrte Menschen an Schläuchen sogen, die in bauchigen Flaschen mit blubberndem Wasser endeten. Düfte wie von Blumen und frischen Beeren aus der Kleidung und den Haaren von faulen Städtern, die von anderen Städtern in aufwendig verzierten Kisten umhergetragen wurden. Schweiß in allen erdenklichen Noten von bitter über scharf bis hin zu sauer. Mist von allerlei Vieh.
    Teriasch war von diesem Ansturm auf seine Sinne derart überwältigt, dass er einen Augenblick brauchte, ehe er begriff, dass der Zug angehalten hatte. Sie standen auf einem großen Platz neben einem Brunnen von verschwenderischer Pracht. In einem kreisrunden Becken hielt eine Löwenstatue die Pranken auf die Köpfe eines nackten Jünglings und einer nackten jungen Frau gelegt. Sowohl aus dem aufgerissenen Maul der Bestie als auch aus den lächelnden Mündern der Menschen floss Wasser.
    Man gab den Gefangenen zu verstehen, dass sie sich waschen sollten. Es war eine echte Wohltat, auch wenn Teriasch nicht der Einzige war, der Schwierigkeiten hatte, sich mit gefesselten Händen die dicke Schicht aus Staub und Schweiß von der Haut und aus den Haaren zu spülen. Arka trat schließlich heran und half ihm dabei, indem er den Helm als Schöpfkelle

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