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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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das Tor schleifen müssen. Also komm.«
    Trotz der Ratschläge, die ihm der Geist der Geschichten erteilt hatte und in denen ihm ein Wiedererlangen seiner Freiheit in Aussicht gestellt worden war, stellte sich Teriasch eine traurige Frage. Kann es sein, dass Dokescha das gnädigere Schicksal ereilt hat? Kann es sein, dass ich besser von einer der Echsen zerrissen worden wäre, als in die Heimat der Harten Menschen verschleppt zu werden?
    Das Land hinter der Mauer entsprach nicht den aus seiner Angst geborenen Vorstellungen. Es war keine leere Ödnis aus verbrannter Erde, auf der böse Geister für aller Augen sichtbar umgingen, um die, die ihren Stimmen lauschten, zu unvorstellbaren Ausschweifungen und Gräueltaten anzutreiben. Es glich eher dem Land am anderen Ufer des Aglala: Auf feuchten Wiesen spross saftiges Gras, an dem sich Probaskas, Rinder und Schafe satt fraßen, und wohin man auch blickte, sah man kleinere und größere Waldstücke am Horizont. Es war ein Jagdgrund, auf den jede Sippe stolz gewesen wäre.
    Zu den Wunderlichkeiten dieses fremden Reiches zählte der Weg, auf dem der Zug seinen Marsch fortsetzte. Arka nannte ihn eine Straße, und sie zeichnete sich dadurch aus, dass auch sie – ganz wie die Mauer – für die Ewigkeit gebaut war: Reihe um Reihe waren Steine hintereinander auf die Erde gelegt, und auf diesen Steinen schritt man voran, als wäre es verboten, von ihnen herunterzutreten.
    Die erste Nacht im Reich der Harten Menschen verbrachten die Gefangenen in einem Gebäude, das denen in den Festungen auf der Steppe ähnelte. Es war aus Stein und Holz errichtet, und auch hier waren die Fenster vergittert. Die drei Häuser der Wegstation waren nicht von Palisaden und Wachtürmen geschützt. Dafür sah eines vollkommen anders aus als die anderen: Sein Dach lief in einem flachen Winkel spitz zu und wurde von Säulen aus glatt geschliffenem, rötlichem Stein getragen. Es gab keine Wände zwischen diesen Säulen, und im Innern brannten viele Kerzen, die vor unheimlichen Statuen aufgestellt waren.
    Teriasch hatte Glück, dass er seine Neugier umgehend stillen konnte, weil Arka an diesem Abend für die erste Nachtwache eingeteilt war. »Was sind das für Geister, denen ihr huldigt?«
    »Das sind keine Geister«, sagte Arka ungehalten. »Das sind unsere Götter.«
    Es folgte ein längerer Wortwechsel, an dessen Ende Teriasch schließlich so tat, als würde er Arkas Erklärungen begreifen. Der Soldat kam ihm nämlich zunehmend reizbarer vor, je öfter er nachbohrte, woran man als Sterblicher zweifelsfrei erkennen konnte, ob man denn nun einen Gott oder nur einen mächtigen Geist vor sich hatte. Er fand letztlich eine eigene Einsicht, die ihn zufriedenstellte. Wahrscheinlich ist es so: Manche der verlogenen Geister dieses Landes wollen nicht, dass man sie als verlogene Geister erkennt, und haben sich deshalb ausgedacht, dass die Harten Menschen sie Götter nennen sollen.
    Immerhin war Arka gern bereit, Teriasch die Namen der Götter zu nennen, deren Statuen durch das Fenster des Gefängnisses zu sehen waren. »Die Frau mit dem Kopf einer Krähe ist Karoka. Sie ist es, die alles weiß und nichts verrät. Der mit den sechs roten Händen und der harten Rute ist Rovillus. Er gebietet über den Drang, neues Leben in die Welt zu bringen, und seine Hände sind blutig, weil kein neues Leben in die Welt kommt, ohne dass dabei Blut fließt. Wenn Bhagarion da drüben seine Hasta schwingt, erbebt die Erde und reißt auf. Er ist der Gebieter des Zorns und der, der Kämpfern starke Arme schenkt. Die, die die Krone aus Tang trägt, das ist Ostrea, mit der man sich besser nicht anlegt, wenn man weiß, was gut für einen ist. Wer vergisst, ein Kalb für sie zu ertränken, bevor er sich auf eine lange Reise zur See macht, den belegt sie mit einem schlimmen Fluch, dass alles, was er isst und trinkt, im Mund zu Salz wird. Und der …«
    »Warum ist der eine dort, der den Hammer hält, so viel größer als die anderen? Und warum steht er in der Mitte?«, fragte Teriasch.
    »Weil er der mächtigste von allen ist.« Arka senkte demütig das Haupt und schlug die Faust gegen seine Brustplatte. »Der Subveheros.«
    Ich kenne diesen Namen. Teriasch durchforstete sein Gedächtnis. »War er der, der alles in eurem Reich gebaut hat?«
    »Er hat alle Elemente gebändigt. Er hat aus vielem eins gemacht«, sagte Arka. »Ein Haus, in dem alle Häuser sind.«
    »Ist er nicht der Vater eures jetzigen Häuptlings?«
    »Doch.«
    Teriasch

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