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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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wachsenden Spalt hindurchzuspähen. Er sah einen schmalen Streifen staubiger Erde unmittelbar vor dem Tor. Und dahinter Gras. Grüne, kräftige Halme. Dicht an dicht wie auf der Steppe, aber höher als in der Gegend, durch die die Schwarzen Pfeile zogen. Wenn er darin auf die Knie ging, würden höchstens noch die Federn seines Kopfputzes über die Spitzen schauen. Ihm dämmerte, dass Silicis ihn zwar nicht belogen, aber zumindest mutwillig getäuscht hatte. Er hat nicht behauptet, dass ich auf die Steppe zurückkehren darf.
    »Na los!« Rukabo schob ihn von hinten an. »Zeigen wir uns doch unserem verehrten Publikum.«
    Teriasch stolperte hinaus auf die falsche Steppe, die die Harten Menschen am Boden des Schüsselhauses geschaffen hatten. Das Areal wurde durch eine blanke Mauer begrenzt, hinter deren Zinnen rings um das gesamte Rund schmale Stufen nach oben führten. Auf ihnen hockten die Zuschauer, die sich zahlreich eingefunden hatten – Männer wie Frauen, aber auch viele Kinder, die besonders aufgeregt mit den Fingern auf Teriasch und Rukabo zeigten. Teile des Publikums schwangen Rasseln und Klappern, es wurde mit Tüchern gewunken, Fahnen wurden geschwenkt. Männer, die sich große Schläuche auf den Rücken geschnallt hatten, gingen durch die Reihen und schenkten Wein und Wasser aus. Andere verkauften Früchte und Nüsse, Würste und Dörrfleisch.
    Doch auch dieser Ort war einer klaren Ordnung unterworfen, wie Teriasch rasch bemerkte: Direkt hinter den Zinnen der Mauer stand alle zehn oder fünfzehn Schritt ein Wächter mit einer gespannten Arkakrux im Anschlag. Ihre Helme, deren Masken fröhlich lachende Gesichter zeigten, und ihre Brustpanzer waren bunt bemalt, ihre Umhänge wirkten wie Flickenteppiche aus unterschiedlichsten Stoffresten.
    Die untersten Ränge waren von Besuchern besetzt, deren Erscheinung wahrhaft prächtig war. An ihren Fingern blitzten edelsteinverkrustete Ringe, manche Wange schien mit Goldstaub gepudert, die Haare waren, von silbernen Spangen gehalten, zu kunstvollen Frisuren aufgetürmt, die Gewänder geschmeidig an wohlgenährten Leibern dahinfließende Bahnen aus Samt und Seide.
    Je weiter man jedoch in den Rängen nach oben kam, desto mehr ging von all diesem Glanz verloren, bis der einzige Schmuck, der noch getragen wurde, das Kollare von Sklaven war. Hier waren die Gesichter schmutzig, die Haare geschoren und die Kleidung schlichte Tuniken und Hosen aus Leinen und Wolle.
    In einem waren diese Schichten allerdings trotz aller äußeren Unterschiede vereint: in ihrer ausgelassenen Vorfreude auf den nächsten Kampf, der zu ihrer Belustigung ausgetragen wurde.
    »Liebe Freunde der gehobenen Unterhaltung, wenn ich um eure Aufmerksamkeit bitten dürfte!«, donnerte eine Stimme über die falsche Steppe, und der Trubel auf den Rängen legte sich nach und nach ein wenig. Teriasch schaute dorthin, wo die meisten Menschen im Publikum hinsahen: zu einer Plattform, die am anderen Ende der Arena leicht über die Mauer hinausragte.
    Ist das …? Teriasch schirmte die Augen gegen die Strahlen der Abendsonne ab. Ja, das ist er!
    Silicis hatte Kettenumhang und offenes Hemd gegen eine bunte Robe und eine straff sitzende, blutrote Schärpe getauscht. Er sprach in einen Trichter aus blauem Metall, den er sich vor den Mund hielt und der seinen Worten einen durchdringenden Klang verlieh. »Liebe Freunde, ich kann euch versichern, dass Dropaxvir euch nicht enttäuschen wird. Der Pechmann ist schon ganz versessen darauf, ein paar Schädel für euch zu spalten. Ich habe eben gerade noch persönlich seine Axt geschärft. Doch bevor wir zu diesem Höhepunkt des heutigen Abends kommen, will ich eure Sinne zunächst noch mit einem etwas anderen Spektakel reizen, damit auch sie geschärft sind und Dropaxvirs Künsten gerecht werden. So, wie es sich manchmal empfiehlt, selbst noch kurz Hand an sich zu legen, um die Erregung ordentlich zu steigern, bevor man zu einem schönen Menschen zwischen die Laken kriecht.«
    Das Publikum lachte und spendete verhaltenen Beifall.
    Silicis machte einen Schritt zur Seite und wandte sich halb zu einer jungen Frau um. »Verzeiht mir meine Zoten, Hoheit. Doch ihr wisst ja, wie es mit schlechten Scherzen ist. Sie sind wie Darmwinde. Manche kann man einfach nicht für sich behalten.«
    Die Frau saß auf einem Stuhl, dessen Lehne mit Blattgold überzogen war, und hielt die Hände vornehm im Schoß gefaltet. Ihr hochgeschlossenes Kleid war von einem glänzenden Schwarz, als wäre

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