Heldenzorn: Roman (German Edition)
und an den Knien mit Schildpatt verstärkt – und konnten damit nur von den Dornensätteln stammen, deren Pferde für ihre außerordentliche Wildheit berühmt waren.
Seine Schuhe hatten eine Ausstülpung für jede einzelne Zehe, um so den Eindruck zu erwecken, man ginge barfuß wie die Ewige Wanderin selbst – sie hatten einmal unverkennbar zu einem Vertreter der Ernsten Mienen gehört, einer Sippe, die einerseits behauptete, Starnas Gebote besonders streng zu befolgen, und andererseits immer neue Mittel und Wege ersann, diese Gebote zu umgehen.
Nicht einmal die Keule war eine Waffe, mit der ein Krieger von den Schwarzen Pfeilen gekämpft hätte. Es gab lediglich eine Sippe, die den Keulenschaft mit Dornen spickte, und das waren die Knurrenden Schakale.
Ebenso unpassend war der Kopfputz, den Teriasch hatte aufsetzen müssen – das Stirnband war aus Hornschlangenleder, und die zu einem Rad aufgerichteten Federn hatten einmal die Schwingen von Schreifalken und Nackthalsadlern geziert. Und das waren alles Tiere, die ausschließlich in den Jagdgründen der Vollen Zelte vorkamen.
»Sie haben dich wirklich hübsch gemacht. Ich wünschte, wir könnten tauschen«, sagte der kleine Mann, der neben Teriasch stand.
Wenn der Mann denn überhaupt ein Mann war und nicht ein untersetzter Knabe, denn in dieser Hinsicht war sich Teriasch alles andere als sicher. Es mochte an seiner Verkleidung als Pferd liegen. Ein hoher Hut aus braunem Leinenstoff, der mit Stroh ausgestopft war, stellte Kopf und Hals dar, mit Knöpfen als Augen und Wollfäden als Mähne. Die Hose war am Hintern dick gepolstert und mit einem Schweif versehen. Die großen, haarigen Füße waren nackt, doch dafür steckten die Hände in hölzernen Nachbildungen von Hufen.
»Warum bist du als Pferd angezogen?«, fragte Teriasch.
»Weil ich für ein Probaska zwei Fingerbreit zu klein bin und nicht die richtige Nase habe«, kam die mürrische Antwort in einer Stimme, die um einiges zu dunkel für einen Jungen war.
»Du bist aber auch für ein Pferd zu klein«, sagte Teriasch. Ohne seinen Hut geht er mir doch höchstens bis zum Bauchnabel.
»Dir kann man nicht so leicht etwas vormachen, was?« Der Verkleidete breitete die Arme aus. »Schau mich an. Sehe ich so aus, als würde es eine Rolle spielen, wie nah ich an einem echten Pferd dran bin? Nein, tue ich nicht. Sehe ich ausgesprochen albern aus? Ja, tue ich. Was sagt uns das also? Es sagt uns, dass die Leute was zum Lachen und keine Lektion in Tierkunde haben sollen.« Über seiner breiten, von Sommersprossen übersäten Nase funkelten zwei zornige Augen – eines in hellem Grün, das andere in dunklem Blau. »Was glotzt du so?«
»Du hast merkwürdige Augen.«
»Ich?« Er stellte sich auf die Zehenspitzen und musterte Teriaschs Gesicht. »Und du nicht, oder was? Braun mit roten Sprenkeln. Wann hat man denn so was schon mal gesehen? Aber ist klar, ja. Ich bin von uns beiden der mit den merkwürdigen Augen. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Als ob ich ausgerechnet dich falschen Häuptling dafür bräuchte, um mir das zu erzählen. Was kommt als Nächstes? Dass du mir erklärst, dass ich ein Halbling bin? Oder dass der Dominex ein prächtiges Gehänge hat?« Er schnaubte und wirkte dadurch einen winzigen Augenblick glaubwürdiger in seiner Verkleidung. »Was rege ich mich überhaupt auf? Ich hab mir das alles ja selbst eingebrockt. Ich hätte auf Trifurax hören sollen. Der hat es mir noch gesagt.« Er verstellte die Stimme zu einem tiefen Brummen. »Ich würde mir das mit dieser Villa wirklich gut überlegen, Rukabo. Bis jetzt haben sie jeden geschnappt, der da eingestiegen ist.« Rukabo seufzte. »Ich hätte es fast geschafft. Ich war schon beinahe wieder raus.« Ein neuerliches Seufzen. »Fast und Beinahe. Die hässlichen, eifersüchtigen Schwestern von Gutgemacht und Glattgelaufen.«
Während der Halbling weiter vor sich hin plapperte, warf Teriasch einen sehnsüchtigen Blick zu der Tür, durch die er in diese kleine Kammer gelangt war. Sie befanden sich irgendwo im Bauch eines der großen Gebäude, die aussahen wie riesige Schüsseln. Silicis hatte ihn hierhergebracht.
Sie hatten das sonderbare Bauwerk nicht durch das breite Tor betreten, vor dem sich eine beachtliche Zahl an Menschen eingefunden hatte. Silicis hatte einen kleineren Eingang gewählt, und dann waren sie so viele Treppen hinuntergestiegen und um so viele Ecken gegangen, dass Teriasch nie im Leben auf eigene Faust den Rückweg gefunden
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