Heldenzorn: Roman (German Edition)
den Pferdestämmen gehörst, wo ist dann dein Pferd?«, fragte er.
Teriasch nahm den Kopf hoch. »Im Lager meiner Sippe. Niemand weiß, dass ich hier bin. Ich bin zu Fuß gegangen. Die anderen sollten denken, ich würde bald wieder zurück sein.«
»Du bist nackt«, stellte der Geist fest. »Wieso? Hast du deine Kleider auch in deinem Lager gelassen?«
»Nein, sie liegen doch da.« Er zeigte neben die Schwitzhütte. »Unter meiner Tasche.« Er runzelte die Stirn. »Aber natürlich bin ich jetzt nackt. Man geht nackt in eine Schwitzhütte, wenn man zu den Geistern und den Ahnen sprechen will.«
»Richtig.« Der Geist nickte so eifrig, als müsste er sich selbst von dieser einfachen Wahrheit überzeugen. »In Schwitzhütten ist man nackt. Dazu sind sie da. Zum Nacktsein.« Er legte den Kopf schief. »Du trägst nicht gerade viele Bilder auf der Haut. Du bist jung, oder?«
Warum fragt er das? Sieht man das nicht? Teriasch nahm die ungewöhnliche Frage zum Anlass, dem Geist die wenigen Bilder zu erläutern, die ihm Pukemasu in die Haut gestochen hatte, damit jeder sehen konnte, welche einschneidenden Erlebnisse ihm bislang widerfahren waren. »Hier auf meiner Schulter, das ist ein brennender Pferdekopf, weil ein Pferd mich vor dem Feuertod gerettet hat, als ich noch ein Kind war und bei einer anderen Sippe lebte. Die Kreise über meinem Herzen stehen dafür, dass mein ganzes Sehnen nur dem Dienst an euch Geistern gilt. Und das hier in meinen Ellenbeugen sind Mücken, weil ich vor drei Sommern das Keuchende Fieber überlebt habe.«
»Was ist mit den roten Linien an deinem Kinn?«, fragte der Geist.
Teriasch fasste sich ins Gesicht. »Die? Ich hatte gehofft, du könntest mir sagen, was sie bedeuten.«
»Ich?« Der Geist zog die Brauen hoch. »Wieso ich? Du wirst doch wohl selbst wissen, wo sie herkommen?«
Ist das eine Prüfung? Spielt er nur mit mir? Teriasch schluckte. Seine Kehle war nach der langen Nacht in der Hütte völlig ausgedörrt. Am liebsten wäre er zu seiner Tasche gelaufen, um einige Schlucke aus seinem Wasserschlauch zu nehmen. Er war sich jedoch verhältnismäßig sicher, dass es einen Frevel dargestellt hätte, etwas zu trinken, solange man einem Feuergeist gegenüberstand. Er begnügte sich damit, unauffällig ein bisschen Schweiß von seiner Oberlippe zu lecken. »Pukemasu hat sie gestochen. Nach dem Tag, an dem ich die Geier auf Geheka gehetzt habe.«
»So … Geheka …«, sagte der Geist nur.
»Ich wollte ihm nicht wehtun«, beteuerte Teriasch für den Fall, dass der Geist das aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen noch nicht wusste, obwohl die Geister laut Pukemasu eigentlich alles wussten, was in der Welt vor sich ging. »Ich wollte bloß, dass er aufhört, mich zu ärgern. Mich zu verspotten, weil ich nicht weiß, wer meine Mutter ist. Ich habe nicht absichtlich nach den Geiern gerufen. Sie waren einfach nur da und haben mich gehört. Die Jäger hatten einen Warzeneber geschossen, und das muss sie angelockt haben. Aber sie sind gleich wieder aufgeflogen, als ich angefangen habe zu schreien. Geheka hatte nur ein paar Kratzer von ihren Schnäbeln.« Teriasch senkte den Blick. »Und einen seiner Finger haben sie ihm abgebissen.«
Der Geist rümpfte die Nase und sah auf seine Hände. »Einen Finger? Ich nehme an, Geheka und du seid nicht die besten Freunde.«
»Nein«, gestand Teriasch. »Und Pukemasu hat es auch nicht gefallen. Sie meinte, ich wäre ein Nagi Peta. In meinem Mund würde ein Feuer brennen, das sich nie löschen lässt. Eines, das zu den Funken spricht, die in allem sind, was lebt. Deshalb die Linien. Damit alle anderen das Feuer sehen, obwohl man es eigentlich nicht sehen kann. Damit sie mich nicht zornig machen.«
Die Hand des Geists wanderte zum Knauf eines kurzen Dolches, den er am Gürtel trug, womöglich weil er seine große sonderbare Keule nicht brauchte, um sich eines so niederen Geschöpfs wie Teriasch zu erwehren. »Jetzt weiß ich, warum du mich siehst, Junge. Du bist ein Tendra Megun Romur. Ein Entfacher mächtiger Worte.«
Teriasch hob beschwichtigend die Hände. Das hört sich nicht sehr angenehm an. »Ich weiß nicht, was das ist. Bitte töte mich nicht.«
»Tendra Megun Romur oder nicht, es liegt keine Ehre darin, einen nackten Jüngling niederzustechen.« Der Geist klang aufrichtig beleidigt. »Wofür hältst du mich? Für einen Mörder?«
»Für einen Geist des Feuers«, antwortete Teriasch wahrheitsgemäß. »Oder für das Kind eines Feuergeists
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