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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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man von den großen Holzgestellen, die in den Gärten aufgebaut waren, in den Himmel schießen würde.
    Was ihn weitaus mehr faszinierte, war das ungewöhnliche, schlauchartige Gebäude, an dem sie nach einiger Zeit entlangschritten. Es war ganz aus eisernen Streben und Glas gebaut, wobei die Scheiben von innen beschlagen waren, als wäre die Luft dort drinnen um ein vielfaches feuchter als draußen. Wie durch eine Nebelwand machte Teriasch die Umrisse dickstämmiger Bäume aus, zwischen deren Ästen große, seltsam geformte Früchte wuchsen. Sie erinnerten ihn an die schwammigen Pilze, die manchmal aus morschem Holz sprossen, und ein-, zweimal spielten seine Augen ihm einen unheimlichen Streich. Es muss das Glas sein. Das Glas und der Nebel. Die Schlieren lassen es so aussehen, als würden die Früchte sich bewegen. Beben. Pulsieren. Wie die Eier von Spinnen oder Käfern, in denen sich die Larven regen. Oder wie ein Beutel voller Schlangen und Würmer …
    Er erstarrte, gelähmt von dem beklemmenden Gefühl, dass ihn jemand aus dem Verborgenen heraus beobachtete. Hat gerade mein Kollare gezuckt? Er fasste an seinen Halsreif. Er war kalt genug, dass seine Fingerspitzen daran haften blieben. Dann hörte er die Stimme, die viele Stimmen war, noch viel klarer und deutlicher als beim Anlegen des Kollare oder in seinem Traum, in dem der Kala Hantumanas ihn mit der Gestalt Nescas in seine unzähligen Arme gelockt hatte. »Geh nicht fort«,bettelte sie. »Du musst uns lieben. Sieh doch, was wir denen schenken, die uns am meisten lieben.«
    Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie die Früchte in dem Haus aus Glas gemeinsam zu pulsieren begannen, als wären sie alle Teil ein und desselben gewaltigen Leibes, dessen Herzschlag ihnen den Takt vorgab.
    »Für immer«, raunte der Wurm der alles umschlingenden Liebe. »Für immer bei uns und in uns und wir in dir. Ohne Tod. Auf ewig.«
    »He, Barbarenhäuptling!« Cardas barscher Ruf brach den Bann, in den der Kala Hantumanas Teriasch gezogen hatte.
    Er blinzelte und sah die Scharlachrote Rose auf sich zulaufen, sichtlich ungehalten.
    »Bist du müde, oder wie? Auf, auf!« Sie packte ihn am Arm und zog ihn mit sich zu der Stelle an einer Weggabelung, wo Nesca auf sie wartete.
    »Was ist dieses Haus?«, fragte Teriasch.
    »Da drin ziehen die halben Portionen die Früchte, von denen nur unser Herrscher kosten darf«, erklärte Carda.
    »Die, die ihm die Kraft schenken, um die Elemente im Zaum zu halten? Von den Bäumen, die nur mit dem besonders reinen Wasser gegossen werden?«
    »Was fragst du lauter Sachen, die du schon weißt?« Bei Nesca angekommen, ließ die Ordenskriegerin ihn los und wandte sich an ihre Schutzbefohlene. »Ich glaube nicht, dass er abhauen wollte. Er hat anscheinend nur vor sich hin geträumt.«
    »Gut.« Nesca nahm die Hand von dem wattegefütterten Säckchen, das sie an die gelbe Schärpe um ihre Hüfte gebunden hatte.
    Teriasch ahnte, was sie darin transportierte. Da sind die Flaschen drin, die ihr Silicis gegeben hat. Mein Ampullarium und das von Rukabo. Seine flüchtige Begegnung mit der Kreatur, die den Gefäßen ihre grausige Macht verlieh, schmälerte erstaunlicherweise seine Furcht davor.
    »Kannst du mir sagen, was im Turm des Wassers ist?«, fragte er Nesca.
    »Warum interessiert dich das?«
    »Kannst du es mir sagen?«
    »Nein, kann ich nicht.« Sie schenkte ihm einen merkwürdigen Blick voller Verwunderung. »Niemand geht in den Turm hinein.«
    »Auch nicht, wenn ihr eure Opfer darbringt?« Sie lügt. Wie so oft …
    »Wenn eine Losziehung für den Behemoth des Wassers ansteht, erklimmen alle, die an der Zeremonie teilnehmen, die zehntausend Stufen hinauf zur Spitze des Turms«, sagte Nesca, und sie klang dabei ein wenig, wie Pukemasu immer geklungen hatte, wenn sie ihm von den Gesetzen und Geboten der Geistern erzählte – ein wenig ungeduldig ob seines mangelnden Wissens. »Es ist eine Prüfung des reinen Gewissens, weil die Stufen glatt und rutschig von den Wasserfällen sind, die am Turm herabstürzen. Wer die falschen Gedanken im Herzen trägt, folgt dem Wasser in die Tiefe.«
    »Und was ist oben auf der Spitze?«
    »Das große Becken, aus dem das reine Wasser aufsteigt, natürlich.« Nesca lächelte grimmig. »Das Becken, in das sich einmal alle vier Jahre die Opfer an den Behemoth werfen.«
    »Ist das alles, was du weißt?«
    »Nicht so frech!«, warnte ihn Carda.
    »Ich weiß noch viel, viel mehr, aber es gibt eine Sache, über die ich

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