Heldenzorn: Roman (German Edition)
zuerst mit dir sprechen will«, sagte Nesca.
»Dann sprich.«
»Nicht hier.« Sie schritt ihnen voran über eine Rasenfläche zu einer efeuüberwachsenen Laube, wo sie sich auf eine steinerne Bank setzte. Sie klopfte mit der flachen Hand neben sich. »Komm, Teriasch von den Schwarzen Pfeilen. Setz dich zu mir.«
Teriasch blieb stehen.
Nesca musterte ihn freundlich. »Ich weiß genau, dass du zornig auf mich bist.«
»Erwartest du Lob für so viel Weisheit?« Teriasch erduldete ungerührt den leichten Faustschlag, den ihm Carda zur Strafe versetzte. »Warum hast du verhindert, dass mir der Pollox meine Freiheit schenkt?«
»Du hättest versucht fortzugehen.« Nescas Lächeln war entwaffnend in seiner scheinbaren Offenheit. »Und dann hättest du mir nicht mehr helfen können.«
»Wobei?«, fragte er lauernd, weil er noch immer eine Lüge witterte.
»Du hast vorhin nicht viel gesagt, als der Pollox dabei war.« Nesca streckte ihre Beine aus und rieb sich die Oberschenkel. »Aber es würde mich wundern, wenn du nicht genau zugehört hättest. Daher weißt du schon, dass das heute Morgen nicht der erste Anschlag auf mein Leben war.«
»Und?« Teriasch verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn ich alles richtig verstanden habe, was heute schon geredet wurde, ist es bei euch Harten Menschen üblich, dass ihr Krieger dafür bezahlt, euch gegenseitig umzubringen. Warum sollte das bei dir anders sein?«
Carda hob bereits die Faust, aber Nesca bedeutete ihr innezuhalten. »Nicht! Ich will nicht, dass er ständig gezüchtigt wird.«
»Wie Ihr meint, Hoheit.« Carda verbeugte sich. »Auch wenn ich glaube, dass es ihm guttun würde …«
»Schon zweimal zuvor hat man mir nach dem Leben getrachtet«, sagte Nesca ernst. »Beim ersten Mal war ich dazu eingeladen worden, an der Eröffnungsfeier einer neuen Tuchmanufaktur teilzunehmen. Pannus Velum, der Betreiber, zählt zu den Numates, die mein Vater am meisten schätzt, und deshalb konnte ich die Einladung schlecht ablehnen. Die Feier fand in der großen Halle statt, in der die fertigen Stoffballen eingelagert werden sollten. Anlässlich meines Erscheinens hatte Velum einen Leuchter aus purem Gold und Edelsteinen anfertigen und aufhängen lassen, der das Licht seiner Feuerschalen so brach, dass es mein Gesicht an alle Wände warf. Ich hielt meine Dankesrede unter diesem Prunkstück, da löste es sich aus seiner Halterung.« Nesca senkte die Stimme. »Ich wäre darunter begraben worden, wenn Carda mich nicht rechtzeitig zur Seite geschleudert hätte.«
»Hm.« Teriasch schürzte die Lippen. »Wieso wurde Carda dann nicht zerschmettert? Und woher wisst ihr, dass das kein Unfall war?«
»Ich habe dem Mann neben mir die Beine unter dem Leib weggetreten und ihn über mich gezogen.« Carda sprach von dem Vorfall, als wäre es ein gemütlicher Ausritt an einen schönen See gewesen. »Es war ein richtig fetter Kerl, und sein Speck dämpfte den Aufprall des Leuchters.« Sie klopfte auf die linke Seite ihres Brustpanzers. »Ein paar gebrochene Rippen hatte ich schon, aber die habe ich gerne in Kauf genommen. Und was das Herabfallen des Leuchters angeht … die Halterung war angesägt.«
»Und der andere Anschlag?«, wollte Teriasch wissen.
»Ein Geschenk«, sagte Nesca. »Angeblich von einem Abgesandten des Kleinen Königs von Tristborn. Eine Elster in einem Käfig aus Barttannenholz. Sie war Teil einer ganzen Reihe von Zuwendungen, die mir bei einem Bankett zuteilwurden. Ich habe den Vogel in meine Gemächer bringen lassen, wie den Rest auch, lange bevor ich mich selbst dorthin zurückzog.« Sie seufzte. »Es war ein Abend, an dem mir zum Tanzen zumute war. Das war mein Glück. Eine meiner eifersüchtigeren Schwestern stahl sich aus Neid in meine Räumlichkeiten, um als Erste mit dem Vogel spielen zu können. Ich fand Invidia tot vor dem Käfig, Schaum vor den blauen Lippen. Jemand hatte Gift auf den Schnabel der Elster gestrichen. Meinst du, dass auch das ein Unfall war?«
Teriasch schwieg.
»Es stellte sich heraus, dass der Vogel ausgetauscht worden war«, fuhr Nesca fort. »Der Kleine König trachtete mir nicht nach dem Leben. Ein anderer hingegen schon.«
»Das mag sein«, gestand Teriasch. »Aber wie könnte ich dir da helfen?«
»Ich brauche eine Person in meinen Diensten, die an Orten unsere Ermittlungen vorantreibt, an die ich selbst nicht gehen kann, weil mein Erscheinen zu viel Aufsehen erregt«, erklärte Nesca. »Eine Person, die noch nicht lange in
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