Heldenzorn: Roman (German Edition)
greifen, um ihr zu zeigen, wie ernst es ihm war. »Das ist unsere Abmachung.«
Zu der ersten Falte auf Nescas Stirn gesellte sich eine zweite. »Eben hast du mich noch nach dem Turm des Wassers gefragt, und jetzt willst du den Behemoth aus dem Turm des Windes sehen?« Sie lachte auf, als würde er sie veralbern wollen. »Die Drachenhöhle ist versiegelt. Sie wird nur einmal alle vier Jahre geöffnet, und in diesem Jahr gehen die Opfer an den Behemoth des Feuers.«
»So lange warte ich nicht.« Teriasch schüttelte den Kopf. »Es muss früher gehen.«
Nesca sah hilfesuchend zu Carda.
»Schaut mich bitte nicht so an, Hoheit«, sagte die Scharlachrote Rose. »Ich würde Euch so oder so empfehlen, Euch auf keinen Handel mit diesem Kerl einzulassen. Aber wenn er unbedingt als Drachenfraß enden will … Es gäbe da vielleicht eine Möglichkeit, ihn in die Höhle hineinzubringen.«
Es war Nesca, die plötzlich das tat, was er zuvor hatte tun wollen. Sie griff nach seiner Hand. Ihre Finger waren herrlich warm und weich. »Deine Freiheit sollst du gerne haben, sobald die Mörder enttarnt sind. Und was deinen Besuch im Turm des Windes betrifft … Ist ein Vielleicht gut genug für dich, Teriasch von den Schwarzen Pfeilen?«
15
Verstreut euch über die Steppe wie der Wind
die Samen der Gräser. So werden eure Sippen niemals
alle zerschlagen, so wie ein Feuer niemals
alle Gräser auf der Steppe verschlingen kann.
Aus den Geboten Starnas, der Ewigen Wanderin
»Wie gefällt dir dein Armreif? Ich finde, er steht dir sehr gut.«
Nescas Stimme klang so unbekümmert, als hätte sie Teriasch ein großes Geschenk gemacht. Womöglich hätte ein anderer Sklave ihre Einschätzung sogar uneingeschränkt geteilt. Selbst Rukabo wirkte von den Annehmlichkeiten, die sein neuer Status als Besitz der Tochter des Dominex mit sich brachte, begeistert – und er war nicht einmal in Sklaverei geboren, und seine Tage als freier Bürger lagen alles andere als weit zurück.
Um seinen großen Freund aufzuheitern, war der Halbling am vorherigen Abend nicht müde geworden, die Vorzüge aufzuzählen, die er und Teriasch nun genossen.
»Schau dir doch nur an, wie wir untergebracht sind!«, hatte er gerufen.
Und ja, Teriasch musste gestehen, dass das Zimmer, das er sich mit Rukabo teilte, verglichen mit ihrer Kammer in der Arena ein kleiner Palast innerhalb eines noch viel größeren Palasts war. Die Betten waren federweich, in einem Becken an der Wand stand jederzeit nach Honig duftendes, handwarmes Wasser für ihre Waschungen bereit, eine Spieluhr zur Zerstreuung erzeugte die süßesten Klänge, wenn man an ihrer Kurbel drehte, und ein mit Glas versiegeltes Fenster bot einen reizenden Blick auf die Herrschaftlichen Gärten.
»Überleg dir, wie voll wir uns hier den Bauch schlagen können!«, hatte Rukabo gejubelt.
Auch das stimmte. Teriasch hatte sich sehr verwundert darüber gezeigt, wie im Palast für ihr leibliches Wohl gesorgt wurde. Wenn man ein kristallenes Glöckchen in Form eines Apfels läutete, eilte ein junger Haussklave herbei, der sich freundlich danach erkundigte, wonach einem der Sinn stand. Man äußerte seinen Wunsch, und wenig später wurde er Wirklichkeit. Rukabo hatte dieses Prinzip reichlich ausgenutzt und binnen kürzester Zeit zwei gebratene Tauben, einen halben Schinken, vier Schüsseln gepfefferter Blaubeeren und einen großen Ring Zimtkuchen verspeist – die Kehle heruntergespült hatte er sich diese Unmengen an Nahrung mit drei Humpen Süßbier und zwei Karaffen weißem Wein.
»Und befühl doch nur die Stoffe, in die sie uns gehüllt hat«, hatte Rukabo ihn aufgefordert und dabei den Pelzbesatz seiner Gugel gestreichelt. »Ich wette, das ist echtes Glattwiesel!«
Teriasch räumte ein, dass seine neue Kleidung sehr angenehm zu tragen war – die schwarze, wadenlange Hose aus robustem Leinen, die weiße Baumwolltunika und auch die grüne Samtweste. Selbst die Stiefel passten ihm wie angegossen, als hätte jemand das Echsenleder schon für ihn weichgelaufen.
All das änderte nichts daran, dass er sich trotz der Abmachung, die er mit Nesca getroffen hatte, nach wie vor wie ein Sklave fühlte. Nicht nur wegen des Kollare, sondern insbesondere auch, weil am Morgen ein höflicher Mann bei ihnen aufgetaucht war, um ihnen den Silberreif ums Handgelenk zu legen, der sie als Besitz eines Bewohners des Palastbezirks kennzeichnete. Nun bin ich gleich doppelt als jemand zu erkennen, dem es verboten ist, seinem freien
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