Heldenzorn: Roman (German Edition)
übertreiben. Gierige Diebe sind schnell tote Diebe. Ach ja, und denen aus dieser Villa da, denen habe ich mal unters Bett geschissen, weil ich gehört hatte, dass die hässliche Kuh die Sorgsame Kunst pflegt und wie alle Alchimistinnen ganz auf Reinheit versessen ist. Und was soll ich sagen? Meine Hinterlassenschaft war vollkommen unverfälscht.«
Als sie an eine zweite Mauer um den Palast gelangten, die um einiges niedriger, aber dafür von dornigen Ranken überwuchert war, stellte Rukabo sein Geplapper endlich ein. Er begann, nervös auf seiner Unterlippe zu kauen, während dienstbeflissene Gardisten ein breites Gittertor öffneten, dessen Stäbe von blühenden Schlingpflanzen umwunden waren.
Teriasch begriff nicht so recht, woher Rukabos plötzliche Besorgnis rührte, denn das weitläufige Areal jenseits des Tores bot einen Anblick derart überwältigender Fruchtbarkeit, dass sie ihn einen Moment lang sogar seinen kalten Hass vergessen ließ. Ihm war vielmehr, als stünde er auf der Steppe, nachdem der warme Frühlingsregen das Gras wachgeküsst hatte, so reich und vielfältig war das verschwenderische Formen- und Farbenspiel der Abertausenden Blüten in den Herrschaftlichen Gärten.
Doch auf der Steppe entschieden die Geister der Natur frei darüber, wo sie welcher Pflanze erlaubten, zu erblühen und mit ihrer Eitelkeit das Auge des Betrachters zu erfreuen. Die Herrschaftlichen Gärten hingegen gehörten unverkennbar zum Land der Harten Menschen, wo alles einer Ordnung unterworfen werden musste. Wie auf den Feldern, die Teriasch auf seiner Verschleppung nach Kalvakorum gesehen hatte, war jeder Art von Gewächs ein eigener Bereich zugewiesen, in dessen Grenzen es sich entfalten durfte. Dort waren die kleinen Haine, in denen die Bäume ihre Äste, schwer beladen von Blättern, Blüten und Früchten, dem Himmel entgegenrecken durften. Hier waren die Flächen, auf denen grünende Hecken zu Löwen, Rüsselschnauzen und scheuenden Pferden geschnitten waren. Und da waren die Plätze, an denen Lilien, Nelken, Astern und Mohnblumen zusammengepfercht waren, als versuchte man, sie dazu zu zwingen, die Menge ihrer vielen kleinen Blüten zu einer einzigen bunten Decke zu verflechten.
Es gab noch vieles mehr, was man auf der Steppe ebenfalls vergeblich gesucht hätte: die Springbrunnen mit ihren sprühenden Fontänen, die Dutzende Regenbögen herbeizauberten. Die Wasserbecken, in denen goldene Fische umherschwammen und an deren Rändern Enten und Schwäne mit roten Schnäbeln und schwarz schillerndem Gefieder ihre Nester gebaut hatten. Die Standbilder, deren Schöpfer nur ein Motiv zu kennen schienen – einen hochgewachsenen Mann, das Gesicht von einem langen Bart umrahmt, Hammer und Zirkel im Gürtel, die Hand behutsam auf den Kopf eines wohlgenährten Knaben gelegt, der dankbar zu ihm aufschaute. Die zahlreichen Wege und Pfade, die zu runden Plätzen führten, auf denen schwarze und weiße Kieselsteine so kunstvoll ausgestreut worden waren, dass sie bedeutsame Episoden aus dem Leben des Subveheros darstellten, von seiner Geburt über die Bezwingung der Elemente bis hin zu seinem Aufstieg auf den Götterthron.
Und auf der Steppe gab es auch keine kleine Heerschar von Halblingen, die dafür Sorge trugen, dass all diese Pracht niemals verging. Eine unermüdlich weiterstreitende Armee aus untersetzten Soldaten, die mit Hacken, Rechen und Schaufeln bewaffnet, mit grünen Lederschürzen und gelben Strohhüten gerüstet waren. Ihnen galten sofort Rukabos Blicke, und er fing an, leise zu zählen, kaum dass die Sänftenträger mehr als zwanzig Schritte in die Gärten hinein gemacht hatten.
Er kam bis elf, da bemerkte Teriasch einen Halbling, der seine Gießkanne fallen ließ und mit nacktem Entsetzen im Gesicht in Richtung der Sänfte gelaufen kam, und bei fünfzehn hatten sich ihm zwei seiner Kameradinnen angeschlossen, die zuvor Dung in einem Beet mit jungen Trieben verstreut hatten.
»Sie sind noch langsamer und begriffsstutziger als früher«, murmelte Rukabo.
»Was hast du hier zu schaffen, Rukabo?«, fragte der Halbling, der beim Gießen gewesen war, entgeistert, als er bei der Sänfte ankam.
»Du bist verbannt.« Die eine Dungstreuerin machte eine schnelle Geste, bei der sie den Kopf abwandte und halb ihre Augen verdeckte.
»Verbannt!«, pflichtete ihr die andere bei und vollführte die gleiche Geste.
»Gleich drei von euch, um den verlorenen Sohn willkommen zu heißen? Das ist zu viel der Ehre.« Rukabo verbeugte
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