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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Die seidenen Tücher vor den Fenstern. Von Sklaven gewebt. Die goldenen Tragestangen. Von Sklaven gegossen. Er senkte den Blick zur Straße. Selbst die Pflastersteine, über die ich gehe. Von Sklaven verlegt. Nichts hier geschieht aus freiem Willen. Nichts hier ist aus freiem Willen geschaffen. Und ich wäre dieser verlogenen Stadt und diesem verlogenen Land beinahe entkommen. Beinahe. Wenn sie nicht wäre.
    »Warum hat sie das bloß getan?«
    Nur weil Rukabo unverzüglich darauf antwortete, bemerkte Teriasch überhaupt, dass er seine verbitterte Frage laut ausgesprochen hatte. »Worüber beschwerst du dich, du Sorgenwarze?« Der Halbling grinste breit. »Es gibt schlimmere Schicksale, als einer Pupula zu dienen. Wir müssen nicht mehr darauf warten, in welchen aussichtslosen Kampf uns Silicis schicken will. Und überhaupt: Wir werden sicher nie mehr Durst oder Hunger leiden oder auf der Straße schlafen oder unseren Körper an den Meistbietenden verkaufen müssen.«
    »Die letzten beiden Dinge musste ich in meinem Leben bis jetzt auch nie tun, ohne ein Sklave zu sein.« Teriasch ballte und öffnete mehrfach die Fäuste. »Und ich hatte die Freiheit doch schon vor Augen, verstehst du das denn nicht?«
    Rukabo schnaubte abschätzig. »Ganz abgesehen davon, wie gekränkt ich darüber bin, dass du dich nicht auch für meine Freilassung eingesetzt hast, du treuloses Stück Dung, würde ich gern wissen, was du denn mit deiner kostbaren Freiheit angefangen hättest? Erzähl mir jetzt bitte nicht, du hättest versucht, auf eigene Faust zu deinen Leuten auf der Steppe zurückzukommen. Dazu hättest du nämlich mehr Glück gebraucht als eine Maus in einem Schlangennest. Wie hättest du für deine Reise und den Proviant und ein Pferd bezahlt? Du glaubst doch nicht wirklich, dass Silicis auch nur einen Rota herausgerückt hätte. Wozu auch? Ein freier Bürger muss für sich selbst sorgen. Und genau das hättest du gemacht, wie ich dich kenne. Auf deine ganz eigene Art. Du hättest irgendwo am Wegesrand ein paar Früchte vom Baum gepflückt, und schon wärst du ein Dieb gewesen. Dann hätten sie dich eingesammelt, dir ein Kollare verpasst und zurück hierher geschickt, weil du ja so eine große Attraktion bist. Der Steppenbarbar, der eine vernünftige Sprache spricht. Herzlichen Glückwunsch zu deinen ausgereiften Plänen.«
    Sie waren an dem großen Löwenmaultor angelangt, hinter dem der Palastbezirk lag. Die Wachen machten der Sänfte nicht nur Platz, sondern fielen sogar kurz auf die Knie. Rukabo gluckste fröhlich. »Ein Empfang ganz nach meinem Geschmack. Recht so, recht so, beugt das Knie und neigt das Haupt vor dem Kater von Kalvakorum.«
    Die Straße jenseits der Mauer war so sauber gefegt, dass Schritte keinerlei Staub aufwirbelten, und die Häuser dort waren die größten, die Teriasch bisher zu sehen bekommen hatte. Die Numates stellten ihren Reichtum unverhohlen zur Schau wie eine junge Hure ihre Reize. Mosaike von jagenden Löwen und ihrer Beute schmückten die Fassaden, aufwendig in Wellenform gestaltete Zäune und Mauern mit goldenen Spitzen trennten die einzelnen Grundstücke voneinander, an jedem Giebel hingen Wasseruhren, an denen man ablesen konnte, wie weit der Tag schon vorangeschritten war. Kein Haupthaus hatte nicht mindestens drei Anbauten, in denen Prunksänften untergestellt, köstliche Speisen eingelagert oder Schreine für die Götter errichtet worden waren. Teriasch wollte nicht glauben, dass in Behausungen, die ganzen Sippen Platz geboten hätten, nicht mehr als eine Familie von verdienten Bürgern samt den Bediensteten lebte – eine weitere Ungerechtigkeit, die seinen Hass nährte.
    Rukabo war unverändert bester Dinge, während sie die breite, säulenbestandene Straße hinuntergingen, die auf die riesige goldene Kuppel des eigentlichen Palasts zuführte. Er zeigte mal nach links, mal nach rechts und schwelgte in lauten Erinnerungen an seine vergangenen Diebeszüge durch sein Revier. »Da drüben hätte ich mir fast die Griffel abgehackt, weil die Dame und der Herr des Hauses ihren Schmuck in einer Zwergenkiste verwahrten. Fiese Dinger. Schlösser, die richtig zubeißen können. Und dort, die haben einen Knecht, der einem die Hintertür zur Küche aufstehen lässt, wenn man ihm ein bisschen die richtigen Stellen küsst und streichelt und noch einen Radius drauflegt. Solange man nur auf einen schönen Happen Zimtkuchen und einen kräftigen Schluck Beerenbrand aus ist. Man sollte es ja nie

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