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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Kraus
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herum. Es ist schließlich bekannt, dass All-inclusive-Urlaube dann am teuersten sind, wenn die Ferien beginnen oder enden. Nichts ist leichter, als diese Praxis der Reiseveranstalter auszutricksen: Man beendet das Schuljahr seiner Kinder eben ein paar Tage früher oder bestimmt selbstherrlich, mit dem Schuljahr ein paar Tage später zu starten. Die Rechtfertigung für dieses Handeln ist eindeutig: An solchen Tagen passiere in der Schule ja ohnehin nichts, sagt man sich. Es mag ja sein, dass die letzten und die ersten Schultage vor und nach den Sommerferien nicht unbedingt hochkonzentrierter Unterricht stattfindet. Jedoch ist in diesen Tagen eine Menge zu regeln: Einige tausend Bücher sind einzusammeln, die Sportfeste und die Wandertage stehen an, die Schulfeste wollen – unter Mithilfe der Schüler – geplant und ausgestaltet werden und vieles mehr. Trotzdem: Auf die paar Schüler, die da fehlen, komme es nicht an, bilden sich manche Eltern ein und buchen eben für Tage innerhalb der Schulzeit – um einige hundert Euro oder gar einen Tausender günstiger. So weit, so schlecht. Aber es handelt sich nun mal um eine Ordnungswidrigkeit. Allein am Nürnberger Flughafen wurden in den Sommerferien 2007 etwa hundert Familien erwischt, die sich zu früh auf den Weg machten. Es sollen sogar Lehrer und deren Kinder darunter gewesen sein.
    Bild am Sonntag startete dazu am 27. Juli 2008 über Emnid eine Umfrage mit der Fragestellung: Sollen Eltern bestraft werden, wenn sie vor Ferienbeginn ihre Kinder nicht zur Schule schicken, um vorzeitig in den Urlaub fahren zu können? Mit Ja antworteten 41 Prozent, mit Nein 58 Prozent. Pikant war, dass der Regelverstoß von Leuten mit höherem Bildungsabschluss stärker bagatellisiert wurde als von Leuten ohne Berufsabschluss: Letztere waren mit einem Anteil von 66 Prozent für eine Bestrafung, unter Leuten mit Abitur und/oder Hochschulabschluss war es genau umgekehrt: 64 Prozent wollten keine Bestrafung. Die Bereitschaft zum Regelverstoß scheint hier also mit formal höherem Bildungsgrad zu steigen.
    Besonders machtvoll werden Helikopter-Eltern, wenn sie sich zusammentun. Dann werden Elternabende zu Lobbyistenabenden, zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, ja zu Inquisitionsveranstaltungen. Das bislang individuelle Prinzensyndrom wird dann zum kollektiven. Charakteristisch sind Fragen wie: Warum gibt es in der Pause nichts zu kaufen, was vegan ist? Warum haben Sie keinen bilingualen Unterricht? Warum praktizieren Sie keine modernen Unterrichtsformen wie Materialtheke oder Wochenplanarbeit? Warum haben Sie nicht in allen Klassenzimmern Whiteboards? Man müsste die Kinder dann nicht mehr dem gefährlichen Kreidestaub aussetzen und würde noch eine Menge Geld einsparen, weil man dann in den Unterrichtsräumen keine Waschbecken für den Tafelschwamm mehr bräuchte. Warum haben Sie noch keine Schuluniformen eingeführt, das würde die sozialen Unterschiede ausgleichen und vor dem Markenwahn schützen? Warum geben Sie nicht mehr Einsen und Zweien, um die Kinder zu motivieren? Muss der Schulranzen voller Bücher denn immer so schwer sein, kann man denn keine Schließfächer für jedes Kind anschaffen, damit die Kinder nicht so viele Bücher und Hefte nach Hause und wieder zurück in die Schule schleppen müssen?
    Natürlich gibt es unter den Mitgliedern von Elternbeiräten in der großen Mehrzahl die konstruktiven, die vernünftigen, die sich fürs sinnvolle Ganze engagieren. Ihnen geht es um das Wohl aller, sie haben sich nicht deshalb wählen lassen, weil sie Herrschaftswissen erringen und ihrem eigenen Kind einen Vorteil verschaffen wollen. Es gibt aber auch den Typ «Elternfunktionär», der mal als Notenallergiker, mal als polternder Aufsichtsrat, mal als notorischer Besserwisser auftritt. Übrigens: In Frankreich ist das anders. Dort endet der Einfluss der Eltern vor dem Schultor. Ihre Einmischung in schulische Belange wird nicht gern gesehen und zumeist auch unterlassen. In Frankreich genießen Schule und Lehrerschaft offenbar eine andere Autorität als in einem Land wie Deutschland, das bis hinauf in die vordersten Ränge von Politikern allzu gern über Schule und Lehrer herzieht.
    Finden die Eltern dann noch überörtlich auf der Ebene von Vereins- oder Verbandszusammenschlüssen Gehör, tönt es durch das Land: «Die Lehrpläne müssen entrümpelt werden!» – «Warum heute noch ‹Faust› und Shakespeare?» – «Unsere Kinder sind einem unmenschlichen Stress

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