Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Little-Giants-Kindergärten als pädagogische Hochsicherheitstrakte in den gentrifizierten Wohnvierteln der Latte-macchiato-Edeleltern, selbstverständlich mit integrierten Science-Labs. Sodann die Kumon-Institute, davon gibt es allein in Deutschland 180. Dort können Kindergartenkinder Japanisch lernen, Geigenunterricht nach der Suzuki-Methode bekommen, und es gibt Babytuning für die VIBs, die Very Important Babies, einen Baby-Signal-Gebärden-Kurs, einen Babymassagekurs, Babyschwimmen, Kinderyoga, CreativeKidsClubs, Englisch für Einjährige im Buggy, Early Learning Centers für 1000 Euro pro Monat, Helen-Doron-«Baby’s Best Start»-Lektionen sowie ein Sprachcenter für Kinder zwischen drei Monaten und 14 Jahren. Das sind nur einige von vielen absurd anmutenden Möglichkeiten, die allein in ihrer Aufzählung für sich sprechen.
Es erscheint einem wirklich wie Science-Fiction, was dort geboten wird: Mathematik für Zweijährige, Ökonomie für Vierjährige, Curricula, in denen Mathematik, Literatur, Biologie, Kommunikation, Astronomie und «Ziele und Lebensstrategien» vermittelt werden, angeblich bunt und kindgerecht aufbereitet mittels Smartboards und interaktiven Tafeln, seitenlang könnte man die Liste noch ergänzen.
Eine Kita in Hamburg namens «Bengel & Engel» wirbt um Eltern mit dem Satz: «Wir sehen Ihr Kind als kleinen Rohdiamanten, dem man sich behutsam und umsichtig nähern muss, um ihn zum Strahlen zu bringen.» Der Münchner Fünf-Sterne-Kindergarten «Elly & Stoffl» bietet samt professoralem Grußwort auf der Website Projekte an wie «Haus der kleinen Forscher», «Die Alphas» und mehr. Das 1997 gegründete Unternehmen «Happy Young Learning» wirbt um Kinder zwischen zwei und zehn Jahren damit, dass es «multisensorisch, spannend und unvergesslich» fördere. Erstaunlich, aber wahr: Lizenznehmer werden mit Renditen von über 30 Prozent gelockt. Das scheint also ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu sein.
Fast schon sektiererisch mutet an, was das 1998 gegründete und erstmals 2007 in Deutschland niedergelassene Franchiseunternehmen «FasTracKids – Education for tomorrow’s leaders» anbietet. Weltweit wird hier nach demselben Programm gearbeitet, denn die Kids sollen ja problemlos von Berlin nach Tokio umziehen können. Die Versprechungen sind groß: Kinder der «FasTracKids»-Kindergärten seien Gleichaltrigen auf der «Überholspur» angeblich ein bis zwei Jahre voraus. Das Unternehmen reklamiert für sich, die Anwendung der neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung umzusetzen. Es firmiert als «FasTrack Signing» – Babyzeichensprache für Babys ab sechs Monaten, als «FasTrack Music» – musikalische Früherziehung für Zwei- bis Vierjährige und für Vier- bis Sechsjährige und als «FasTrack Camps» sowie Feriencamps für Vier- bis Zehnjährige. Zwei- bis Dreijährige heißen «Tots» (kurz für: toddler, auf Deutsch: Kleinkind), Vier- bis Sechsjährige «Kids», Sieben- bis Neunjährige bereits «Seniors».
«Helfen Sie Ihrem Kind, die lebenslange Liebe am Lernen zu entdecken.» FasTracKids, so die Propaganda, hätten ihren Wortschatz und ihre sozialen Kompetenzen gegenüber anderen Vorschulkindern mit diesem Programm um 100 bis 150 Prozent schneller erworben, und das angeblich bereits mit einem zweistündigen Programm pro Woche.
FasTracKids International berichtet, dass 76 Prozent der Eltern sehr zufrieden sind mit den Erfahrungen ihrer Kinder bei FasTracKids. Bis zu 200 Euro zahlen die Eltern pro Monat dafür. Dass es die Protagonisten von FasTracKids mit der Seriosität bei der Werbung nicht immer so ganz genau nehmen, zeigt das Beispiel einer FasTracKids-Agentin, die sich, ohne diesen Hintergrund kundzutun, durch mehrere Talkshows hat reichen lassen. Kinder und «Lehrer» tragen bei FasTracKids übrigens ein dunkelblaues T-Shirt mit Firmenaufdruck. Neben Mathematik, Astronomie, Theater und Kunst stehen bei FasTracKids für Drei- bis Sechsjährige sogar Rhetorik, Ökonomie und Lebensstrategien auf dem Programm sowie jede Woche zwei Stunden in Technologie. Dazwischen gibt es Pausen mit Hüpfphasen, weil dadurch angeblich beide Gehirnhälften beansprucht werden.
Damit ist es aber nicht genug: Über 5000 Buchtitel zum Thema «Baby» findet man bei Amazon – darunter DVD-Programme des Disney-Konzerns für Kinder von drei Monaten bis drei Jahren mit so bezeichnenden Namen wie «Baby Einstein» oder «Baby Bach». Eltern können gar nicht so viele Kinder bekommen, um auch
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