Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Lernverhalten sowie die sozial-emotionale Situation. Sie erhalten ein aktuelles Fähigkeitsprofil (IQ) mit einer Analyse der aktuellen Stärken und Schwierigkeiten. In einem einstündigen Beratungsgespräch gehen wir auf Ihre Anliegen und Fragen ein. Dazu erhalten Sie einen ausführlichen schriftlichen Bericht mit allfälliger Recherche und Hinweisen auf weitere Informationen und Kontaktadressen gemäß Ihren Bedürfnissen …»
In Nordrhein-Westfalen gibt es das sozusagen gratis, nämlich als lückenlose Bildungsdokumentation in den Kitas. Für Hamburg liegen mit KEKS («Kompetenz-Erfassung in Kita und Schule») amtlicherseits Einschätzungsbögen für Vier-, Fünf- und Sechsjährige in Kitas sowie in Vorschul- bzw. Eingangsklassen vor. Zugrunde gelegt werden vier Kompetenzbereiche: Selbstkonzept und Motivation (inklusive: «Ich-Kompetenzen»), soziale und lernmethodische Fähigkeiten und Sachkompetenzen. Die entsprechende Checkliste wurde erarbeitet vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, IfBQ, sie ist ganze zehn Seiten lang. Jede der Kompetenzen und Unterkompetenzen soll je nach Ausprägung auf einer fünfstufigen Skala angekreuzt werden. Wer ein Portfolio nicht «amtlich», sondern ganz individuell selbst zu Hause anlegen möchte, für den gibt es seit 2008 als persönliches, 52 Seiten starkes Lerntagebuch «Das Portfolio im Kindergarten».
Und noch ein Beispiel zum Wundern: Viele Eltern hoffen auf einen Mozart-Effekt – nicht ganz frei von der Vorstellung, dass Musik ein Merkmal der sozialen Distinktion nach unten ist, also zur Abgrenzung zur unteren Mittelschicht und noch weiter entfernten Schichten. Dabei orientiert man sich daran, dass Mozart schon mit vier Jahren musikalisch unterrichtet wurde. So als würde man dieses Genie noch übertreffen wollen, ist – qua Beschallung – klassische Musik bereits im Mutterleib angesagt.
Aber selbst musikalische Frühförderung hat in ihren Effekten sehr enge Grenzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat dazu im Jahr 2007 einen aufschlussreichen Bericht herausgegeben. Titel: «Macht Mozart schlau? Die Förderung kognitiver Kompetenzen durch Musik». Diese Expertise widerlegt die Vision vom Musikunterricht als Förderbreitbandtherapeutikum. Es ist eben nicht so, dass der Musikunterricht außermusikalische, beispielsweise sprachliche oder mathematische Fertigkeiten mitfördert.
Der sogenannte Mozart-Effekt wird als Illusion beschrieben, der Glaube also, mit pränatalem Hören klassischer Musik werde die Intelligenz gesteigert, für null und nichtig erklärt. Falls es überhaupt einen Zusammenhang zwischen musikalischer Aktivität und intellektueller Entwicklung gebe, so sei dieser Zusammenhang damit zu erklären, dass intelligente Menschen von Haus aus häufiger Musik machen als andere.
Wörtlich heißt es in dem Bericht: «Ein Erwachsener, der in der Kindheit sechs Jahre lang Musikunterricht hatte, wird also im Durchschnitt einen um zwei Punkte höheren IQ haben, als wenn er keinen Musikunterricht gehabt hätte. Seriöse Musiklehrer raten deshalb davon ab, Instrumentalunterricht bereits mit vier Jahren zu beginnen. Sie sprechen sich eher für ein Einstiegsalter von sieben bis acht Jahren aus. Unsinnig ist auch die Argumentation, bei Profimusikern hätten sich positive Veränderungen in der Gehirnstruktur ergeben und deshalb sei es wichtig, Kinder sehr früh zum Musizieren zu bringen. Dabei wird übersehen, dass diese Veränderungen bei Profimusikern das Ergebnis von jahrzehntelangem, täglichem, mehrstündigem Üben sind. Durchaus positive Effekte hat das Musizieren allerdings auf die soziale und emotionale Entwicklung, indem es Gemeinschaft zwischen den Kindern stiftet.»
Vor lauter Auslagerung der Erziehung – oder neuhochdeutsch: Outsourcing – wird der Aufenthalt zu Hause zum bloßen Boxenstop, und nur nebenbei ist der Förderling noch Kind. Manchen Kleinen wird ein Zeitplan übergestülpt, der so manchen Manager an den Rand des Zusammenbruchs brächte. Unsere Gesellschaft erzählt sich tausendundein Fördermärchen. Wer sich noch mehr Förderung leisten kann, stellt ein zweisprachiges Kindermädchen an. Aber auch sonst ist nichts billig, was an Förderung vielversprechend zu sein scheint. Deshalb machen Mütter auch schon mal Zusatzjobs, um den Kindern einen bestimmten Kurs oder ein Förderprogramm finanzieren zu können. Und das Ergebnis? Früher brachte die Vierjährige stolz und strahlend eine Bastelei aus buntem
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