Heliosphere 2265 - Band 8: Getrennte Wege (Science Fiction) (German Edition)
auch Sjöberg und Michalew. Und Letzterer wollte mich von der Akademie werfen. Meine Vorwürfe hätten doch ausgesehen wie eine Retourkutsche. Nein, stattdessen habe ich Sjöberg kontaktiert. Und der hat die Informationen Noriko in die Hände gespielt. Sie hat es auffliegen lassen."
"Wofür Michalew ihre Karriere beinahe zerstörte."
"Es war meine Schuld."
"Sie und Ishida waren beide doch nur Figuren für die beiden Admiräle. Mittlerweile sollten Sie das wissen."
"So einfach ist es nicht", widersprach Lorencia vehement. "Ich hätte ihr immerhin nachträglich helfen können. Aber anstatt mich zu stellen, habe ich geschwiegen.
Als ich sie auf der HYPERION wieder traf ... Es war schrecklich und wunderbar zugleich."
Janis nickte gedankenverloren. "Bis das Mobbing durch Walker begann."
Lorencia schlug mit der geballten Rechten auf die Schreibtischplatte. "Genau! Ich wollte ihr nur helfen! Daher die Sache mit dem Torpedo. Und prompt gibt es einen Anschlag auf Walker und er wird ins Koma befördert. Wenn Noriko erfährt, was ich getan habe …" Sie schüttelte den Kopf. "Sie wird mich hassen."
"Also, ich glaube kaum …"
Lorencia hörte ihn gar nicht, sprach einfach weiter. "Es ist seltsam, Doc, aber ein Teil von mir hofft, dass sie nicht erwacht. Dann muss ich ihr nie in die Augen blicken, wenn sie die Wahrheit begreift; die Enttäuschung darin nicht sehen." Sie atmete scharf die Luft ein. "Und gleichzeitig hasse ich mich für genau diesen Gedanken. Ich will, dass sie aufwacht. Ich vermisse sie. Und doch ist klar, dass es nie wieder so sein wird, wie zuvor."
"Sie können weder Ihre Gedanken noch Ihre Gefühle kontrollieren", erklärte Janis nach einem Moment des Schweigens. "Ihr Bedürfnis, den Status quo zu erhalten, ist völlig natürlich. Sie haben Nurakow verloren und befürchten, dass es mit Noriko ebenfalls geschieht, wenn sie erwacht und die Wahrheit erfährt. Es gibt keinen Grund, deshalb Scham oder Selbsthass zu empfinden."
"Wäre es doch nur so einfach, Doc."
"Aber das ist es. Schuld an den Ereignissen aus den Akademietagen sind nicht Sie. Sjöberg und Michalew haben zur Durchsetzung ihrer Allmachtsfantasien unzählige Menschen geopfert. Sie und Noriko waren nur Bauernopfer. Und ich denke, das wissen Sie."
Lorencia schwieg. Eine Träne rann über ihre Wange, die sie jedoch schnell fortwischte.
"Der Status quo wird enden", sagte Tauser nach einiger Zeit. "Entweder Isaak und Collins können Ishida retten, dann müssen Sie sich den Schatten der Vergangenheit stellen. Oder sie stirbt, auch darauf sollten Sie gefasst sein."
"Ich weiß, Doc." Lorencia nickte langsam. Jede Kraft schien aus ihren Gliedern gewichen, als sie aufstand. Mit ein paar geübten Bewegungen zog sie eine Ersatzplatine hervor, schob sie in das Streifengehäuse der Konsole und verschraubte die Abdeckung. "Danke, Doc."
Bevor sie das Schott erreichte, sagte Janis: "Und vielleicht sollten Sie auch einmal darüber nachdenken, was Noriko letztendlich für Sie ist."
Er musste nicht deutlicher werden, da die L.I. für einige Sekunden angespannt verharrte. Sie hatte verstanden. Der Grundstein war gelegt. Alles Weitere lag an ihr.
Noch einmal sagte Lorencia leise: "Danke, Doc." Dann verließ sie sein Mandantenquartier.
*
NOVA-Station, Alzir-System, 10. Juli 2266, 08:10 Uhr
Wütend tigerte Tess auf und ab, während ihr das Gespräch mit Akoskin wieder und wieder durch den Kopf ging. Direkt nach ihrer Ankunft hatte sie die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und jene Fragen gestellt, die ihr tief in der Seele brannten.
"Sie sagten es ja bereits, Sie sind ein Assassine des Ketaria-Bundes", begann Tess.
"Ich war ein Mitglied des Bundes", warf Akoskin schnell ein.
Ihr entging nicht, dass er das Wort Assassine vermied.
"Wissen Sie etwas über meine Eltern? Und spielen Sie erst gar nicht das 'Ich weiß nicht wovon Sie sprechen'-Spiel", kam sie seiner Entgegnung zuvor. "Ich habe Sie beobachtet. Auf der HYPERION, als Sie die Wahrheit gestanden."
Er seufzte. "Und dabei bemerkt, dass ich wiederum Sie beobachtet habe." Er nickte. "Ich war zu sehr darauf konzentriert, keine Emotion zu zeigen. Darüber vergaß ich, dass Sie eine aufmerksame Analytikerin sind."
Tess nahm auf der Couch Platz, von der man einen wunderbaren Blick auf eine der Raumwerften besaß. Über dem transparenten Stahl lag eine Zoom-Fläche. Die Werft war so weit entfernt, dass ein Beobachter sie mit dem bloßen Auge von hier aus niemals hätte sehen können.
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