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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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runden Gesichts, der blinzelnden Augen und der geröteten Wangen.
    »Die Ousters fliegen so anmutig mit dem Sonnenwind«, murmelte Dem Lia.
    Saigyō nickte. »Sie bemerken sicher, dass sie eigentlich auf den Schockwellen reiten, die sich an den Kraftlinien des Magnetfeldes orientieren. Dadurch können sie eine erstaunliche Geschwindigkeit erreichen.«
    »Ich habe es gehört, aber ich habe es noch nicht gesehen«, sagte Dem Lia. »Könntest du …«
    Sofort verwandelte sich das Sonnensystem, in dem sie standen, in ein Gewirr magnetischer Kraftfelder, die von dem weißen G8-Stern ausgingen, zuerst gekrümmt und dann gerade und in gleichmäßigen Abständen wie eine Batterie von Laserlanzen. Die Bildschirme zeigten dieses filigrane Muster der Magnetfelder in roter Farbe. Blaue Linien zeichneten die unzähligen Bahnen nach, auf denen die kosmischen Strahlen aus der ganzen Galaxis ins System eindrangen. Sie richteten sich an den Magnetfeldern aus und wanden sich wie zuckende Lachse, um stromauf zu wandern und im Herzen der weißen Sonne zu laichen. Dem Lia bemerkte, dass die Magnetfelder, die vom Nordpol und Südpol der Sonne ausgingen, verknotet und verschlungen waren und die kosmischen Strahlen abwehrten, die sonst sehr leicht an den geraden Feldlinien der Pole hätten eindringen können. Dem Lia dachte an Spermien, die sich zu einem strahlenden Ei kämpften und von heftigen Sonnenwinden und den magnetischen Wellen fortgetrieben wurden, weggeblasen von Schockwellen, die an den Feldlinien entlangliefen, als hätte jemand kräftig einen Draht geschüttelt oder eine Peitsche knallen lassen.
    »Es ist stürmisch«, sagte Dem Lia, als sie sah, dass viele Ousters bockend, unruhig und unstet auf den Schockwellen der Ionen, Magnetfelder und der kosmischen Strahlen flogen. Mit Flügeln, die wie strahlende Kraftfelder wirkten, trieben sie im Sonnenwind zuerst nach draußen und dann auf den Magnetfeldern wieder zurück, bis sie schließlich mit den Schockwellen wieder vorwärts stürmten, wenn ein stärkerer Ausbruch von Sonnenwinden die trägen Wellen vor ihnen aufpeitschte und einen energetischen Wirbelsturm erzeugte, der sie aus dem System herauszog, um gleich darauf wieder wie eine schwere Brandung zum lohenden Strand der G8-Sonne zurückzulaufen.
    Die Ousters fanden sich anscheinend mühelos in dieser verwirrenden Geometrie, zwischen den roten Linien der Magnetfelder, den gelben Linien der Ionen, den blauen Linien der kosmischen Strahlen und den rollenden Wellenbergen der Schockwellen zurecht. Dem Lia blickte nach draußen zu der Region, wo die aufwallende Heliosphäre des Roten Riesen der brodelnden Heliosphäre des hellen G8-Sterns begegnete. Der Sturm von Licht und Farben erinnerte sie an einen phosphoreszierenden Ozean, dessen in vielen Schattierungen schimmernde Wellen sich an den Klippen eines ähnlich farbenfrohen, mächtigen Kontinents aus brodelnder Energie brachen. Ein rauer Ort.
    »Schalte die normale Anzeige wieder ein«, sagte Dem Lia, und sofort waren die Sterne, der Waldring und die flatternden Ousters und die bremsende Helix wieder zu sehen – die letzten beiden Elemente allerdings nicht maßstabgetreu und daher verschwommen.
    »Saigyō«, ordnete Dem Lia an, »bitte lade die anderen KIs hierher ein.«
    Der lächelnde Mönch zog eine schmale Augenbraue hoch. »Alle? Hierher? Und jetzt gleich?«
    »Ja.«
    Bald darauf erschienen sie im Abstand von jeweils ein oder zwei Sekunden und verdichteten sich zu sichtbaren Gestalten.
    Zuerst kam Lady Murasaki, die noch kleiner war als die zierliche Dem Lia. Sie trug ein dreitausend Jahre altes Gewand und einen Kimono, den die Kommandantin atemberaubend fand. Welche Schönheit man auf der Alten Erde doch für selbstverständlich gehalten hat, dachte Dem Lia. Lady Murasaki verneigte sich höflich und steckte die kleinen Hände in die Ärmel des Mantels. Ihr Gesicht war beinahe weiß geschminkt, die Lippen und Augen waren stark nachgezeichnet und das lange schwarze Haar war so vortrefflich frisiert, dass Dem Lia, die ihre Haare meist kurz trug, sich nicht vorzustellen wagte, welche Arbeit es machte, diese Flut von Haaren zu kämmen, zu Zöpfen zu flechten, zu formen und zu waschen und mit Nadeln und Spangen festzustecken.
    Eine Sekunde später schritt Ikkyû ohne jede Unsicherheit durch den leeren Raum auf der anderen Seite der virtuellen Helix. Diese KI hatte für sich die Gestalt eines lange verstorbenen Zen-Dichters gewählt. Ikkyû sah aus wie ein siebzigjähriger Mann,

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