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Helix

Helix

Titel: Helix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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größer als die meisten Japaner und fast kahl, mit Sorgenfalten auf der Stirn und Lachfalten um die strahlenden Augen. Vor dem Flug hatte Dem Lia die Geschichtsdatenbank des Schiffs konsultiert und sich über den Mönch, Dichter, Musiker und Kalligraphen aus dem 15. Jahrhundert informiert. Anscheinend hatte sich der historische, wirkliche Ikkyû im Alter von siebzig Jahren in eine blinde Sängerin verliebt, die genau vierzig Jahre jünger war als er, und die jüngeren Mönche in helle Aufregung versetzt, als er seine Geliebte in den Tempel holte, wo sie mit ihm leben sollte. Dem Lia mochte Ikkyû.
    Basho erschien als Nächster. Der große Haiku-Dichter erschien als ungelenker japanischer Bauer aus dem siebzehnten Jahrhundert. Er trug den kegelförmigen Hut und die Holzpantinen, die seinen Beruf sofort erkennen ließen. Unter den Fingernägeln hatte er stets etwas Erde.
    Ryôkan trat anmutig in den Kreis. Er trug wundervolle Gewänder von einem erstaunlichen Blau mit goldenen Borten. Sein langes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    »Ich habe euch alle so rasch hierhergebeten, weil unsere Begegnung mit den Ousters recht schwierig werden könnte«, verkündete Dem Lia ernst. »Ich habe den Logdaten entnommen, dass einer von euch sich dagegen ausgesprochen hat, aus dem Hawkingraum hier herunter zu wechseln, um auf das Notsignal zu reagieren.«
    »Das war ich«, sagte Basho. Er sprach modernes Post-Pax-Englisch, doch seine Stimme knirschte wie Kies und war so kehlig wie das Grunzen eines Samurai.
    »Warum?«, fragte Dem Lia.
    Basho machte mit seiner dürren Hand eine unbestimmte Geste. »Die Prioritäten, die in der Programmierung gesetzt wurden, erfassen dieses Ereignis nicht. Ich hielt es für eine zu große potenzielle Gefahr, wobei andererseits zu wenig Nutzen hinsichtlich unseres Ziels zu erwarten war, eine kolonisierbare Welt zu finden.«
    Dem Lia deutete zu den Schwärmen der Ousters, die sich dem Schiff näherten. Sie waren nur noch wenige tausend Kilometer entfernt. Seit mehr als einem Standardtag sendeten sie schon Friedensbotschaften über die alten Funkfrequenzen. »Bist du immer noch der Ansicht, es sei zu gefährlich?«, fragte sie die große KI.
    »Ja«, bestätigte Basho.
    Dem Lia nickte und runzelte die Stirn. Es war immer beunruhigend, wenn die KIs in einem wichtigen Punkt nicht einer Meinung waren, doch aus diesem Grund hatten die Aeneaner sie nach dem Zusammenbruch des TechnoCore autonom belassen. Und deshalb gab es fünf Stimmen.
    »Die anderen haben das Risiko offenbar für akzeptabel gehalten?«
    Lady Murasaki antwortete mit leiser, unterwürfiger Stimme, es war beinahe ein Flüstern. »Wir sahen dies als exzellente Möglichkeit, Nahrungsmittel und Frischwasser aufzunehmen, während die kulturellen Implikationen eher Überlegungen und Handlungen von Ihrer Seite als Entscheidungen von uns erforderten. Das riesige Raumschiff haben wir allerdings erst in diesem System entdeckt, als wir den Hawkingraum bereits verlassen hatten. Es hätte unsere Entscheidung möglicherweise beeinflusst.«
    »Dies ist eine menschliche Ousters-Kultur, ziemlich sicher mit einem beträchtlichen Anteil von Tempelrittern in der Bevölkerung, die mindestens seit den früheren Tagen der Hegemonie, wenn nicht länger, keinen Kontakt mehr mit dem Universum der Menschen hatte«, erklärte Ikkyû voller Begeisterung. »Dies könnte der am weitesten entfernte Vorposten der alten Hegira, wenn nicht der ganzen Menschheit sein. Eine wundervolle Gelegenheit, etwas Neues zu lernen.«
    Dem Lia nickte ungeduldig. »Wir werden in ein paar Stunden den Rendezvouspunkt erreichen. Ihr habt die Funksprüche gehört – sie sagen, sie grüßen uns und wollen reden, und wir haben höflich geantwortet. Unsere Dialekte sind ähnlich genug, dass die Translatorperlen sie in einer direkten Begegnung verarbeiten können. Aber wie können wir herausfinden, ob sie tatsächlich friedliche Absichten haben?«
    Ryôkan räusperte sich. »Wir dürfen nicht vergessen, dass vor mehr als tausend Jahren die sogenannten Kriege mit den Ousters provoziert wurden – zuerst von der Hegemonie und dann vom Pax. Die ersten Siedlungen der Ousters im tiefen Weltraum waren friedliche Orte, und diese entlegene Kolonie dürfte nichts von den Konflikten wissen.«
    Saigyō, der bequem im Nichts saß, kicherte. »Wir dürfen freilich auch nicht vergessen, dass die Ousters, diese friedlichen, an den Raum angepassten Menschenwesen, während der Pax-Kriege gelernt haben,

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