Hellas Channel
Beifahrersitz.
»Wo fahren wir denn hin?« lache ich. »Müssen wir das Zicklein erst noch aus dem Stall holen?«
»Wir fahren zuerst zu unserem Überraschungsgast. Doch du mußt mir etwas versprechen.«
»Was denn?«
»Du mußt mir versprechen, daß du ihn, nachdem du mit ihm gesprochen hast, laufenläßt. Ich habe ihm mein Wort gegeben, daß ihm nichts passiert.«
Ich blicke ihn verdutzt an. »Wer ist es denn? Sovatzis etwa?«
Er bricht in Lachen aus. »Sovatzis? Wie kommst du denn darauf! Nein, der ist es nicht.«
»Und woher willst du wissen, daß ich mein Wort halte?«
»Ich weiß es eben«, entgegnet er mit Gewißheit.
»Wo fahren wir hin?«
»Zum Sportverein der Istanbuler Griechen. Fahr die Dekeleias-Straße entlang und bieg dann in die Attaleias-Straße ein.«
Die Fahrt ist kurz, und wir bringen sie schweigend hinter uns. Als wir vor dem abgesperrten Sportplatz ankommen, bedeutet er mir stehenzubleiben.
»Warte, ich bin gleich wieder da.« Er steigt aus dem Mirafiori und verschwindet in der Parkanlage.
Ich versuche zu erraten, wen er mir wohl bringen wird, doch ich habe keine Ahnung. Kurz darauf sehe ich, wie er mit einem Typen auf mich zukommt. Ich kann ihn in der Dunkelheit nicht genau erkennen, doch schon von weitem erscheint er mir irgendwie bekannt. Als er näher tritt, erkenne ich Kolakoglou.
Sie öffnen die Wagentüren und steigen ein. Sissis nimmt auf dem Beifahrersitz und Kolakoglou auf dem Rücksitz Platz. Er trägt weder Jacke noch Mantel und versucht sich durch stetiges Reiben seiner verschränkten Arme aufzuwärmen. Er trägt dieselbe Kleidung wie auf der Dachterrasse des Hotels, als er sich die Pistole an die Schläfe hielt. Er sieht mich mißtrauisch und furchtsam an.
»Es ist alles in Ordnung, Petros. Hab keine Angst«, sagt Sissis, um ihn zu beruhigen. »Herr Charitos hat mir sein Wort gegeben. Ihr werdet euch unterhalten, und dann kannst du wieder gehen.«
»Warum verstecken Sie sich?« frage ich.
»Weil ich mich fürchte«, antwortet er. »Ich habe Angst, daß ihr mich, wenn ich euch in die Hände falle, wieder ins Gefängnis steckt, und zwar diesmal wegen Mordes.«
»Warum sollten Sie ins Gefängnis wandern? Haben Sie denn die Karajorgi umgebracht?«
Er lacht trotz seiner Angst. »Sehe ich wie ein Mörder aus?«
»Das hat nichts zu sagen. Die meisten Mörder sehen nicht danach aus. Von Bedeutung ist, daß Sie sie nach dem Prozeß bedroht haben. Sie haben ihr gesagt, daß sie dafür, was sie Ihnen angetan hat, bezahlen wird.«
»Ich habe etwas ganz anderes gemeint.«
»Und was?«
Er schweigt. Er ist sich nicht sicher, ob er gut daran tut, mir gegenüber offen zu sein, und zögert.
»Komm schon, sag es, damit du es los bist«, bedrängt ihn Sissis. »Deswegen sind wir doch hier.«
»Die Karajorgi hatte ein uneheliches Kind.«
Ich weiß nicht, was ich während Sissis’ Abwesenheit zu erraten versuchte, doch daran hätte ich beim besten Willen nicht gedacht. Ich bemühe mich, schnell abzuklären, welche neuen Möglichkeiten sich durch dieses Indiz eröffnen. »Sind Sie sicher?« frage ich.
»Vollkommen sicher.«
»Und wie sind Sie darauf gestoßen?«
»Bevor ich mein eigenes Steuerberatungsbüro eröffnete, arbeitete ich als Buchhalter bei der Rentenkasse für Seeleute. Eines Tages, es muß im April ’74 gewesen sein, kam eine Frau zu mir, die Rentenbeiträge einzahlen wollte. In ihrer Begleitung befand sich die hochschwangere Karajorgi. Sie muß damals kurz vor der Niederkunft gestanden haben.«
Die Frau war gewiß die Antonakaki, ihre Schwester. Sie hatte die Beiträge ihres Mannes, des Matrosen, eingezahlt, und in ihrer Begleitung war die Karajorgi.
»Erzählen Sie weiter.«
»Als sie Jahre später als Journalistin auf mich zu kam, erkannte sie mich nicht, doch ich wußte sofort, wer sie war. Abgesehen davon, daß sie nicht mehr schwanger war, hatte sie sich überhaupt nicht verändert. ›Wie geht es Ihrem Kind?‹ fragte ich sie irgendwann. Sie fuhr auf und sah mich überrascht an. ›Sie müssen sich irren. Ich habe kein Kind‹, sagte sie zu mir. Da erzählte ich ihr, daß ich sie in der Rentenkasse für Seeleute gesehen hatte und sie damals schwanger war. Doch sie wich keinen Deut von ihrer Aussage ab, daß sie kein Kind hätte.«
»Sind Sie sicher, daß es die Karajorgi war?«
»Absolut sicher.«
»Möglich, daß das Kind gestorben ist.«
»Wenn es so wäre, hätte sie es mir doch sagen können. Dann hätte sie doch nicht behaupten müssen, sie
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