Hellas Channel
aufeinanderfolgende waagrechte, von der Höhe des Herzens in Richtung der rechten Schulter über den Rücken verteilt, und zwei senkrechte, als ob der Mörder ihm den Buchstaben ›E‹ für sein Ende in den Rücken ritzen wollte. Die ganze Behausung sah aus, als wären ihre Bewohner von einer Hölle in die nächste unterwegs. Ein Klapptisch, zwei Plastikstühle und eine Gasflasche mit einer Kochflamme.
Zwei erschlagene Albaner sind für die Fernsehsender nur von Interesse, wenn die Schlächterei sich gut fotografieren läßt und den Leuten ordentlich Brechreiz verursacht, bevor sie sich um neun zum Abendessen setzen. Früher gab es Sesamkringel und Griechen. Heute Croissants und Albaner.
Wir brauchten eine knappe Stunde für die erste Phase der Untersuchungen: die beiden Leichen zu fotografieren, die Fingerabdrücke abzunehmen, die fünf Fundstücke in Plastikbeutel zu packen und die Tür zu versiegeln. Nicht einmal der Gerichtsmediziner bemühte sich an den Tatort. Er begnügte sich damit, die Leichen im Seziersaal in Empfang zu nehmen. Eine Hausdurchsuchung war nicht nötig. Was sollte man auch durchsuchen? Es stand ja nicht einmal ein Schrank in dem Zimmer. Die paar Kleiderfetzen der Frau hingen an einem Haken an der Wand. Die des Mannes lagen neben ihm, auf dem Zementboden.
»Sollten wir nicht nach Geld suchen?« fragte mich Sotiris, der pingelige Kriminalobermeister.
»Du kannst ruhig danach suchen und es einsacken, aber du wirst keine einzige Drachme finden. Sei es, weil sie gar kein Geld hatten oder weil der Mörder alles mitgenommen hat. Was nicht heißen soll, daß es sich notwendigerweise um Raubmord handelt. Denn auch wenn es ein Rachedelikt war – das Geld hätte er auf jeden Fall eingesteckt. Die lassen doch nichts liegen!« Er suchte herum und fand schließlich ein Loch in der Matratze. Ohne Geld.
Die Nachbarn hatten nichts bemerkt. Das behaupteten zumindest alle. Kann sein, daß sie uns gegenüber schwiegen, um dann um so effektvoller vor laufender Kamera auszusagen. Uns blieb nur, zur Durchführung der zweiten Phase in die Dienststelle zurückzukehren: um einen Bericht zu schreiben, der geradewegs ins Archiv wandern würde. Wozu nach dem Mörder suchen? Es wäre verlorene Liebesmüh.
Als wir gerade dabei waren, die Unterkunft zu versiegeln, tauchte sie plötzlich wie ein Tagmond auf. Ihr rundes Gesicht leuchtete ebenso wie ihre glänzende Bluse, in der sich zwei große Brüste den Platz streitig machten. Ihren Hintern hatte sie in einen engen Rock gezwängt, daher war er hinten etwas kürzer. Ihre Füße steckten in lilafarbenen Pantoffeln. Ich saß gerade im Streifenwagen, als ich sie auf die zwei Männer zugehen sah, die die Tür versiegelten. Sie flüsterte ihnen etwas zu, und die beiden deuteten auf mich. Sie machte kehrt und kam auf mich zu.
»Wo kann ich mit Ihnen sprechen?« fragte sie, als ginge es um ein heimliches Rendezvous.
»Hier auf der Stelle. Schießen Sie los …«
»In den letzten Tagen hat sich ein Mann in der Nähe des Hauses herumgetrieben. Er klopfte an und wollte rein, doch die Frau hat ihn jedesmal abgewiesen und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er war mittelgroß, dunkelblond, mit einer Narbe an der linken Wange. Er trug eine hellblaue Sportjacke, am Knie geflickte Jeans und Turnschuhe. Vorgestern habe ich ihn zum letzten Mal gesehen. Er hat geklopft, und sie hat die Tür wieder zugeschlagen.«
»Und warum haben Sie das nicht dem Kriminalbeamten gesagt, der die Verhöre durchgeführt hat?«
»Ich habe es mir eben gut überlegt. Ich wollte nicht in irgendeinen Prozeß hineingezogen werden.«
Wie oft saß sie wohl am Fenster und beobachtete die Straße, die Nachbarn und die Passanten? Wahrscheinlich trat sie gleich nach dem Aufstehen ihre Schicht am Fenster an, nur unterbrochen von Kochen und Essen.
»Na schön. Wenn wir Sie brauchen, werden wir auf Sie zurückkommen.«
Im Büro wollte ich die Angelegenheit spontan ins Archiv abschieben. Wir haben genug mit Terroristen, Einbrüchen, Rauschgiftdelikten zu tun – wer hat die Zeit, sich mit Albanern herumzuschlagen? Es war ja schließlich kein Grieche zu Schaden gekommen. Keiner von denen, die im Zeitalter der Croissants schnell in eine ›Snackbar‹ oder ›Crêperie‹ gehen. Dann sähe die Sache anders aus. Untereinander können die Albaner aufführen, was sie wollen. Solange wir genügend Krankenwagen für ihren Abtransport haben.
Wenn jemand behauptet, daß man aus seinen Fehlern lernt, kann ich nur
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