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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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habe überhaupt kein Kind. Das meinte ich, als ich ihr drohte. Daß ich ihr Geheimnis kannte und es publik machen würde. Ich setzte meinen Rechtsanwalt darauf an. Als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, begann auch ich umgehend nach dem Kind zu suchen. Ich wollte sie demaskieren, um mich an ihr zu rächen. Doch ich stieß auf keine Spur des Kindes. Als wäre es vom Erdboden verschluckt. Als sie umgebracht wurde, stellte ich meine Nachforschungen ein.«
    Er verstummt kurz und blickt mich an. Dann setzt er geifernd hinzu. »Verstehen Sie nun, wie ich mich fühlte? Sie hatte ihr Kind irgendwelchen Adoptiveltern aufgehalst, und mich schickte sie ins Gefängnis, nur weil ich kleine Kinder mag und sie verwöhne.«
    Vor meinem geistigen Auge tauchen plötzlich die Briefe auf, die ich in Karajorgis Schreibtisch gefunden hatte. Der unbekannte ›N‹ war nicht etwa Nena Delopoulou. Es war der Vater des Kindes. Er wollte das Kind sehen, und sie hielt es vor ihm verborgen.
    »Mein einziger Wunsch ist, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und von jetzt an in Ruhe gelassen zu werden«, höre ich Kolakoglou zu mir sagen.
    »Sie müssen sich nicht mehr verstecken. Gehen Sie nach Hause. Es wird nicht mehr nach Ihnen gefahndet, und keiner wird Sie mehr behelligen. Wenn die Journalisten Ihnen auf die Pelle rücken, schlagen Sie ihnen die Tür vor der Nase zu. Doch sie werden Sie nicht aufstöbern.« Er bringt keine Schlagzeile mehr. Robespierre hatte es bereits verkündet.
    Er sieht mich mißtrauisch an. Er wagt nicht daran zu glauben.
    »Habe ich es dir nicht gesagt?« Sissis lacht zufrieden. »Ich hab dir doch gesagt, daß sich alles finden wird, wenn du Herrn Charitos erzählst, was du weißt. Mach schon, hau ab.«
    »Ich danke dir«, sagt er zu Sissis und drückt ihm die Hand. Zu mir sagt er gar nichts, vielleicht weil er fürchtet, daß ich mir die Sache womöglich noch einmal überlege, wenn er mich anspricht. Er öffnet die Wagentür und steigt aus, doch er geht nicht in Richtung Parkanlage. Er geht auf die Bushaltestelle in der Dekeleias-Straße zu.
    »Wie hast du ihn bloß aufgetrieben?« frage ich Sissis.
    Wir sitzen am Tisch in seiner Wohnung, essen Zicklein in Zitronensoße und trinken Retsina.
    Er lacht. »Ich war baff, als du ihn damals vor dem Hotel laufengelassen hast.«
    »Das Risiko war sehr hoch, und das war die ganze Sache nicht wert.«
    »Ich glaube nicht, daß du es nur wegen des Risikos getan hast. Im Grunde hast du geglaubt, daß er unschuldig ist.«
    Ich glaubte es nicht nur. Ich wußte es.
    »Wie auch immer, in der Gegend, wo ihr ihn gefunden habt, verfüge ich über eine Menge Bekannte. Alle wissen, daß die Sicherheitspolizei auch mir jahrelang auf den Fersen war. Das erleichterte mir den Zugang, denn, immer wenn ich sagte, daß ich Kolakoglou helfen wollte, glaubte man mir. Wer etwas wußte, erzählte es mir. Schließlich erfuhr ich, daß ihn eine entfernte Verwandte, die zwischen Petroupoli und Nea Liosia wohnt, bei sich aufgenommen hatte.«
    »Das glaube ich gerne, daß du die Leute in seinem Umfeld überzeugt hast. Doch wie hast du es geschafft, Kolakoglous Vertrauen zu gewinnen?«
    »Ich habe ihm das hier gezeigt.«
    Er zieht sein Hemd und seinen Pullover aus dem Hosenbund und hebt beides hoch. Sein Rücken und seine Brust sind voll Narben und alter Wunden. Er braucht mir weder zu sagen, wer sie ihm zugefügt hat, noch brauche ich danach zu fragen. Wir wissen es beide.
    »Ich wollte ihm beistehen, weil ich weiß, was es heißt, ein Gejagter zu sein«, sagt er, während er seine Kleider wieder in die Hose stopft. »Im Endeffekt hat er seine Schuld abbezahlt. Wozu sollte er sich wie ein Hase hetzen lassen?«
    Ich beobachte ihn, wie er langsam und zufrieden an seinem Stück Zicklein knabbert, um den Wohlgeschmack auf der Zunge zergehen zu lassen. Ich erinnere mich daran, was er mir kürzlich im Wagen gesagt hatte: »Ihr seid der Bodensatz. Ich bin ganz unten angelangt, und so haben wir uns getroffen.« Und zwar wo? Zum ersten Mal in der Bouboulinas-Straße, als wir den Kommunisten nachstellten. Nun im Fall Kolakoglou, wo wir Kinderschänder verfolgen. Wir sind Nieten, alle beide. Deshalb haben wir uns getroffen.

43
    E s ist bereits nach Mitternacht, als ich nach Hause komme. Für gewöhnlich vertrage ich nicht mehr als drei Glas Wein, und Sissis hat mich mit gut zwei Litern bewirtet. Sobald ich mich aufs Bett fallen lasse, fühle ich, wie sich die Decke zu drehen beginnt. Ich schließe die

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