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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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zu tun haben, anstecken lassen. Wir halten die beiden Fahrer der Kühlwagen fest. Wir haben Chourdakis in Gewahrsam. Wir wissen, daß die Fahrer die Kinder an Shehi außerhalb von Kastoria ablieferten und daß er sie in einem Kastenwagen zu Ihrem Kindergarten brachte. Wir wissen alles!«
    »Woher wollen Sie wissen, daß er die Kinder zu mir brachte? Haben Sie ihn mit Ihren eigenen Augen gesehen?«
    »Ihre Haushaltshilfe hat ihn gesehen und wiedererkannt.«
    »Ach ja, die berühmte Fotografie«, meint sie spöttisch. »Das machen Sie mir mal vor, wie Sie von einer Fotografie ausgehend beweisen wollen, daß dieser Albaner mit mir in Verbindung stand.«
    »Wir werden es beweisen, lassen Sie das nur meine Sorge sein. Jetzt, wo Sie Ihr Bruder im Regen stehenläßt, werde ich Ihnen auch die Anstiftung zum Mord an der Karajorgi und der Kostarakou anhängen. Das bringt Sie für mindestens zehn Jahre hinter Gitter. Ihre einzige Hoffnung ist die Zusammenarbeit mit uns. Wir wissen, daß Sie mit den Morden nichts zu tun haben. Es reicht aus, wenn Sie uns sagen, wen Ihr Bruder für die Ermordung der beiden jungen Frauen engagiert hatte, und ich garantiere Ihnen, daß Sie mit der Hälfte der Haftzeit davonkommen.«
    Sie blickt mich an, und zum ersten Mal findet sie keine passende Antwort. Ein gutes Zeichen. Deutet vermutlich darauf hin, daß sie ins Wanken kommt. Ich beuge mich zu ihr hinüber. »Ich sehe, daß man Ihnen alles aufhalsen will, und Sie tun mir leid. Solche Geschäfte gehen solange gut, wie sie eben gutgehen, und wenn sie platzen, dann sieht jeder zu, seine eigene Haut zuerst zu retten. Nichts anderes tut Ihr Bruder. Warum sollten Sie seinetwillen zur Schlachtbank gehen?«
    Sie springt plötzlich auf, wild wie eine Raubkatze. »Lassen Sie bloß meinen Bruder in Ruhe!« faucht sie. »Sie haben doch keinen Schimmer, was mein Bruder alles durchgemacht hat! Meine Mutter war gerade mit ihm schwanger, als sie zu meinem Vater bei den Partisanen in die Berge zog. Mich hatte sie bei Großmutter zurückgelassen. Ich wuchs auf mit der ständigen Furcht vor Bullen, wie Sie einer sind! Alle naselang klopften sie an unsere Tür, stellten die ganze Bude auf den Kopf, versetzten uns in Angst und Schrecken! Und als ich die Ausbildung zur Kindergärtnerin beginnen wollte, zwang man meine Großmutter, eine Reueerklärung zu unterschreiben! Eine siebzigjährige Frau! Wissen Sie, wann ich Dimos zum ersten Mal wiedersah? 1978! Eines Tages klopfte es an der Tür, und ich stand einem ausgewachsenen Mann gegenüber. ›Bist du Eleni?‹ fragte er mich. ›Ich bin Dimos, dein Bruder.‹ Ich wußte, daß meine Eltern ein Jahr nach der Absetzung des KP-Führers Sachariadis bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Von meinem Bruder wußte ich gar nichts. Die Partei hatte Dimos großgezogen. Und ich, seine ältere Schwester, konnte ihm nicht helfen, nicht einmal einen Brief konnte ich ihm schreiben. Und jetzt verlangen Sie von mir, ich solle eine Erklärung unterzeichnen, um meine Haut zu retten! Lassen Sie meinen Bruder doch in Ruhe! Er hat mit alledem nichts zu tun! Er ist unschuldig!«
    Ich blicke sie an und meine Gedanken schweifen zu Sissis ab. Ich frage mich, was er wohl an meiner Stelle täte, wenn er all das hörte. Wie er wohl darauf reagierte. Auf ihren Lippen zeichnet sich ein triumphierendes Lächeln ab. Sie meint, daß sie mir den Mund gestopft hat.
    Ich öffne die Tür und eile mit einem Riesensatz aus dem Zimmer.

42
    Sackgasse = Straße, die nur eine Zufahrt hat und am Ende nicht mehr weiterführt; Aussichtslosigkeit, Ausweglosigkeit.
     
    D ie Bedeutung, die im Dimitrakos-Wörterbuch angeführt wird, paßt wie die Faust aufs Auge. Der Liddell-Scott gibt noch weitere Facetten an:
    aussichtslos sein = etwas ist ein totgeborenes Kind, die Karre ist [total] verfahren (ugs.), es ist zappenduster (salopp).
    Ergo tappe ich im zappendusteren, um den total verfahrenen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Umgangssprachlich ausgedrückt, suche ich eine Stecknadel im Heuhaufen.
    Es ist sechs Uhr abends am zweiten Weihnachtsfeiertag, und ich liege mit meinen Wörterbüchern auf dem Bett. Den Heiligen Abend brachte ich relativ glimpflich hinter mich. Adrianis Cousin Michos, der bei der griechischen Telekom arbeitet, hatte mich zum Mittagessen eingeladen. Zunächst wollte ich nicht hingehen, doch Adriani und Katerina bearbeiteten mich telefonisch. Es sei nicht richtig abzusagen, sie wüßten, daß ich alleine sei, und sie würden sich bei dem

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