Helle Barden
der
Realität fanden auf einem kosmischen Niveau statt, deshalb fiel es ihm
schwer, sich auf kleine Dinge zu besinnen, wie zum Beispiel andere Per-
sonen, Wände und Seife. Gegenüber noch kleineren Dingen, zum Bei-
spiel Münzen, war er allerdings besonders aufmerksam.
Aufgrund seiner speziellen Veranlagung überraschte es ihn kaum, als
eine attraktive junge Frau an ihm vorbeieilte und sich auszog. So etwas
geschah im Kopf des Alten Ron dauernd.
Er beobachtete, was anschließend passierte.
Kurze Zeit später sprang ein schlanker, goldbrauner Leib fort.
»Ich hab’s ihnen gesagt! Ich hab’s ihnen gesagt! Ich hab’s ihnen gesagt! «
stieß der Stinkende Alte Ron hervor. »Das falsche Ende einer Lumpen-
sammlertrompete sol ’n sie bekommen, jawohl! Bei den Göttern und
Dämonen! Potzblitz und Donnerwetter! Gesagt hab ich’s ihnen!«
Als Angua wieder zum Vorschein kam, wackelte bei Gaspode etwas, das
sein Schwanz sein mußte. Zumindest befand sich das Ding am richtigen
Ende.
»Haft dich umgefogen, wie?« fragte er. Der Knochen machte seine
Stimme undeutlich. »Gut. Aufgefeichnet. Ich hab dir daf hier mitge-
bracht…«
Er ließ den Knochen auf das Kopfsteinpflaster fal en. Für Anguas
Wolfsaugen sah er nicht besser aus.
»Was soll ich damit?« fragte sie.
»Steckt vol nahrhaftem Knochenmark«, sagte Gaspode vorwurfsvol .
»Und wenn schon«, erwiderte Angua. »Erklär mir lieber, wie ich in die
Assassinengilde reinkomme.«
»Und nachher könnten wir es uns bei den Misthaufen in der Fleißigen
Straße gemütlich machen«, schlug Gaspode vor. Sein Stummelschwanz
klopfte unaufhörlich auf den Boden. »Dort gibt’s Ratten, bei deren An-
blick… Oh, schon gut, vergiß es«, sagte er hastig, als es in Anguas Augen blitzte.
Er seufzte.
»Es gibt da einen Abfluß neben der Küche«, fügte er hinzu.
»Groß genug für einen Menschen?«
»Nicht einmal ein Zwerg könnte sich hindurchzwängen. Aber es ist
ohnehin nicht die Mühe wert. Heute stehen Spaghetti auf der Speisekar-
te. Und Spaghetti enthalten nur wenig Knochen…«
»Komm.«
Gaspode watschelte los.
»Es war ein guter Knochen«, murmelte er. »Nur ein bißchen grün. Ha!
Ich wette, Schokoladenkekse von Herrn Dickerbrocken würdest du nicht
ablehnen.«
Unwillkürlich zog er den Kopf ein, als sich Angua abrupt zu ihm um-
drehte.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts! Nichts!«
Gaspode folgte dem Wolfshund und winselte leise.
Auch Angua war alles andere als glücklich. Das Leben brachte gewisse
Probleme mit sich, wenn einem bei Vol mond Haare und Reißzähne
wuchsen. Aus einigen unliebsamen Erfahrungen hatte sie erkannt, daß
Männer es nicht mochten, wenn ihre Partnerin plötzlich ein Fel bekam.
Deshalb hatte sie sich geschworen, nie wieder enge Beziehungen zu
knüpfen.
Was Gaspode betraf… Er fand sich mit einem Leben ohne Liebe ab.
Seine praktischen Erfahrungen beschränkten sich auf einen ahnungslo-
sen Chihuahua und eine kurze Episode mit dem Bein eines Postboten.
Das Pulver Nummer eins rutschte durch das gefaltete Papier in das klei-
ne Metal rohr. Verfluchter Mumm! Wer hätte gedacht, daß er sich die
Mühe machte, aufs Dach des Opernhauses zu klettern? Er hatte dort
oben ein Schußmagazin verloren. Aber ihm standen noch drei andere zur
Verfügung. Ein Beutel mit Pulver Nummer eins und einige Kenntnisse
über Bleigießen – mehr brauchte man nicht, um die Stadt zu beherr-
schen…
Das Gfähr lag auf dem Tisch. Ein bläulicher Glanz ging von dem Me-
tall aus, fast ein Glitzern. Natürlich lag es am Öl. Man mußte glauben, daß es allein am Öl lag. Immerhin war es ein Objekt aus Metall und nichts
Lebendiges.
Und doch…
Und doch…
»Es heißt, es war nur ein Bettlermädchen…«
Na und? Sie bot ein Ziel. Mich trif t keine Schuld. Du bist dafür verantwortlich.
Ich bin nur das Gfähr. Gfähre töten niemanden. Personen bringen andere Personen um.
»Du hast Hammerhock ermordet! Der Junge meinte, du hättest von
ganz al ein geschossen! Und er hat dich repariert!«
Erwartest du Dankbarkeit? Er hätte ein zweites Gfähr gebaut.
»War das ein Grund, ihn zu töten?«
Natürlich. Das verstehst du nicht.
War die Stimme in seinem Kopf? Oder kam sie vom Gfähr? Er wußte
es nicht. Edward hatte von einer Stimme gesprochen, von einer Stimme,
die einem al es versprach…
Es fiel Angua leicht, in die Gilde hineinzukommen, obwohl es auf den
Straßen in der Nähe von zornigen Bürgern wimmelte.
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