Helle Barden
beruhigte sich ein wenig.
»Ihr sol tet jetzt besser gehen«, sagte er. »Solche Sachen gefal en mir
nicht. Sie regen mich auf.«
»Entschuldigung«, sagte Karotte noch einmal. »Weißt du, ich habe eine
Idee. Zunächst war al es nur eine Vermutung, doch inzwischen bin ich
ziemlich sicher. Ich glaube, ich kenne den Täter. Doch ich mußte die
Eier sehen, um Gewißheit zu erlangen.«
»Behauptest du etwa, ein anderer Clown hätte Beano umgebracht?«
fragte Boffo empört. »In dem Fal wäre ich gezwungen…«
»Nein«, erwiderte Karotte. »Der Täter ist kein Clown in dem Sinne.
Aber ich kann dir sein Gesicht zeigen.«
Er nahm etwas aus dem Durcheinander auf dem Tisch. Anschließend
wandte er sich zu Boffo um und öffnete die Hand. Er stand mit dem
Rücken zu Angua, und sie konnte nicht erkennen, was er dem Clown
zeigte. Boffo gab einen erstickten Schrei von sich und rannte durch den
langen Gang, vorbei an Regalen mit Gesichtern. Seine großen Schuhe
quietschten und klackten auf den steinernen Fliesen.
»Danke«, sagte Karotte. »Du warst mir eine große Hilfe.«
Er schloß die Hand wieder und sah seine Begleiterin an.
»Komm. Wir sol ten diesen Ort besser verlassen. Ich fürchte, in einigen
Minuten sind wir hier nicht mehr sehr beliebt.«
»Was hast du ihm gezeigt?« fragte Angua, als sie in einer Mischung aus
Würde und Hast zum Tor zurückkehrten. »Du bist hierhergekommen,
um etwas zu finden, stimmt’s? Es ging dir gar nicht darum, das Museum
der Clowns zu sehen…«
»Oh, ich habe mich tatsächlich dafür interessiert«, entgegnete Karotte.
»Ein guter Wächter sol te immer aufgeschlossen für neue Erfahrungen
sein.«
Sie erreichten das Tor, ohne daß strafende Torten aus der Dunkelheit
flogen.
Draußen auf der Straße lehnte sich Angua an die Mauer. Die Luft roch
hier angenehmer, soweit man das von der Luft in Ankh-Morpork be-
haupten konnte. Außerhalb der Gilde lachten die Leute auch, ohne dafür
bezahlt zu werden.
»Ich weiß noch immer nicht, was Boffo so sehr entsetzt hat«, sagte
Angua.
»Ich habe ihm einen Mörder gezeigt«, erklärte Karotte. »Und es tut mir
leid. Mit einer solchen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Ich schätze,
die Leute sind derzeit ein wenig gereizt. Es ist wie mit Zwergen und ih-
ren Werkzeugen. Alle denken auf ihre eigene Art und Weise.«
»Du hast das Gesicht des Mörders im Saal gefunden?«
»Ja.«
Karotte öffnete die Hand.
Sie enthielt ein unbemaltes Ei.
»Er sieht so aus«, meinte der junge Mann.
»Er hat kein Gesicht ?«
»Jetzt denkst du wie ein Clown«, erwiderte Karotte. »Ich mit meinem
schlichten Gemüt sehe die Sache folgendermaßen. Jemand aus der As-
sassinengilde wol te kommen und gehen, ohne aufzufal en. Er stel te fest, daß eine ziemlich dünne Wand die beiden Gilden voneinander trennte.
Er hatte dort ein Zimmer und brauchte nur herauszufinden, wer auf der
anderen Seite wohnte. Später brachte er Beano um und nahm ihm die
Perücke und die Nase ab – die richtige Nase. Das entspricht der Denkweise der Clowns. Die Schminke war sicher nicht das Problem; die kann
man sich überal besorgen. In der Maske von Beano betrat er die Gilde
und machte dort ein Loch in die Wand. Im Anschluß daran schlenderte
er in der Aufmachung eines Assassinen zum Hof vor dem Museum. Er
nahm sich das… Gfähr und kehrte hierher zurück. Erneut kletterte er
durch das Loch, zog sich um und verließ die Gilde als Beano. Und dann
kam jemand, um ihn umzubringen.«
»Boffo meinte, Beano hätte besorgt gewirkt«, sagte Angua.
»Das finde ich seltsam, denn man muß einen Clown aus unmittelbarer
Nähe betrachten, um seinen tatsächlichen Gesichtsausdruck zu erken-
nen. Aber vermutlich fäl t er einem eher auf, wenn die Schminke nicht
ganz perfekt ist. Wenn sie zum Beispiel von jemandem aufgetragen wur-
de, der sich damit nicht besonders gut auskennt. Aber noch wichtiger ist
folgender Punkt: Wenn ein anderer Clown beobachtete, wie Beanos Ge-
sicht durchs Tor ging, dann hat er gesehen, wie die Person Beano die Gilde verließ. Für Clowns ist es unvorstel bar, daß jemand anders sein Ge-
sicht benutzt. Ohne Schminke existiert ein Clown überhaupt nicht.
Clowns benutzen die Gesichter ihrer Kol egen ebensowenig wie Zwerge
die Werkzeuge eines anderen Zwergs.«
»Klingt riskant«, kommentierte Angua.
»Oh, es war riskant. Sehr sogar.«
»Karotte? Was wil st du jetzt unternehmen?«
»Wir sollten in Erfahrung bringen, wessen Zimmer
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