Helle Barden
erwiderte Karotte.
»Ist ziemlich groß.«
»Wegen der Mechanik. Es muß Platz genug geben für viele kleine Rä-
der und Stangen. In den üblichen Taschenuhren sitzen nur kleine Dä-
monen. Ihre Lebenserwartung ist begrenzt, außerdem zählen sie die Mi-
nuten und Stunden nie genau…«
Dingding dang dingding dang dingding dang…
»Eine Melodie!« staunte Angua.
»Sie erklingt jede Stunde«, sagte Karotte. »Das gehört zum Mechanis-
mus.«
Ding. Ding. Ding.
»Und danach wird die Stunde geschlagen«, fügte Karotte hinzu.
»Das kostet doch nur Zeit«, meinte Feldwebel Colon. »Wenn man wis-
sen will, wie spät es ist, muß man sich erst eine Melodie anhören.«
»Mein Vetter Jorgen konstruiert solche Taschenuhren«, sagte Knuddel.
»Sie messen die Zeit viel genauer als Dämonen, Wasseruhren oder Ker-
zen. Oder die großen Pendeldinger.«
»Außer vielen kleinen Zahnrädern steckt auch eine Feder drin«, sagte
Karotte.
Knuddel zog ein Vergrößerungsglas aus dem Bart und betrachtete die
Uhr aufmerksam. »Der wichtigste Bestandteil des Mechanismus ist ein
Dingsbums, das dauernd hin und her schwingt. Es verhindert, daß sich
die Rädchen zu schnel drehen.«
»Und woher weiß das Dingsbums, wann sie sich zu schnell drehen?«
fragte Angua.
»Das ist eingebaut«, sagte Knuddel. »Ich kenne die Funktionsweise nur
in groben Zügen. Oh, hier ist eine Inschrift…«
Er las sie laut vor.
»›Eine Uhr von deinigen alten Froinden in der Wache – damit du im-
mer weißt, was die Stunde geschlagen habet.‹«
»Das ist ein Wortspiel«, erläuterte Karotte.
Verlegenes Schweigen folgte.
»Äh. Ich dachte, daß auch die neuen Rekruten ein paar Dollar beisteu-
ern«, sagte Karotte schließlich und errötete. »Ich meine… ihr könnt ei-
nen eigenen Beitrag leisten. Wenn ihr wollt. Äh. Bestimmt wärt ihr seine
Freunde geworden. Wenn ihr Gelegenheit bekommen hättet, ihn besser kennenzulernen.«
Die anderen Wächter wechselten stumme Blicke.
Er könnte Heere anführen, dachte Angua. Ja, das könnte er wirklich.
Manche Personen haben ganze Nationen al ein mit ihren Visionen zu
Großartigem inspiriert. Dazu wäre auch Karotte imstande. Er träumt
nicht etwa von marschierenden Soldaten, der Weltherrschaft oder einem
tausendjährigen Reich. Nein, er glaubt, daß alle Leute im Grunde ihres
Wesens anständig sind. Er glaubt so fest daran, daß seine Überzeugung
wie eine Flamme brennt, die größer ist als er selbst. Er hat einen Traum, der uns alle einschließt, und dadurch verändert sich die Welt um ihn herum. Das Seltsame daran ist, daß ihn niemand enttäuschen will. Er hat
eine besondere Art von Magie.
»Das Gold reibt sich ab«, sagte Knuddel. »Aber sonst ist es eine sehr
gute Uhr«, versicherte er rasch.
»Ich wol te sie dem Hauptmann heute abend geben«, meinte Karotte.
»Und ich habe gehofft, daß wir anschließend gemeinsam losziehen,
um… das eine oder andere Gläschen zu trinken.«
»Das ist keine gute Idee«, erwiderte Angua.
»Warten wir bis morgen«, schlug Colon vor. »Bei der Hochzeit bilden
wir die Ehrenwache. So verlangt’s die Tradition. Wir heben unsere
Schwerter und formen damit einen Bogen.«
»Wir haben nur noch ein Schwert«, stellte Karotte niedergeschlagen
fest.
Alle blickten zu Boden.
»Es ist nicht fair«, sagte Angua. »Es ist mir ziemlich gleich, wer den Assassinen was gestohlen hat, aber ich finde es richtig, daß der Hauptmann
den Mörder von Herrn Hammerhock finden wol te. Außerdem schert
sich niemand um Nimmer Niedlich.«
»Ich gern wissen, wer hat geschossen auf mich«, knarrte Detritus.
»Es ist mir ein Rätsel, warum jemand so dumm sein sollte, den Assas-
sinen etwas zu stehlen«, sagte Karotte. »Darauf hat auch Hauptmann
Mumm hingewiesen. Er meint, nur ein Narr bricht ausgerechnet bei den
Assassinen ein.«
Wieder blickten die Wächter zu Boden.
»Narr?« wiederholte Detritus. »Wie Witzbolde und Clowns?«
»Der Hauptmann meinte nicht Narren, die Mützen mit Glöckchen tra-
gen«, erwiderte Karotte in freundlichem und geduldigem Ton. »Er mein-
te, nur ein Idiot käme auf den Gedanken…«
Er unterbrach sich und sah an die Decke.
»Donnerwetter«, hauchte er. »Ist es tatsächlich so einfach?«
»Was soll einfach sein?« fragte Angua.
Jemand hämmerte an die Tür. Es war ein unmißverständlicher Hinweis
darauf, daß die Tür entweder von innen geöffnet oder von außen aufge-
brochen werden würde.
Ein Wächter
Weitere Kostenlose Bücher