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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sah und eigentlich gar nicht gehört werden wollte.
    Feldwebel Colon hüstelte. Er ließ leisen Spott darin mitschwingen.
    »Ja, Feldwebel?« fragte Karotte, ohne sich umzudrehen.
    »Hast du weitere Anweisungen, Herr?«
    »Stell Patrouillengruppen zusammen, Feldwebel. Jeder müssen mindestens ein Mensch, ein Troll und ein Zwerg angehören.«
    »Ja, Herr. Was ist die Aufgabe der Gruppen?«
    »Sie sollen gesehen werden, Feldwebel.«
    »In Ordnung, Herr. Herr? Wir haben einen neuen Freiwilligen. Heißt Bleich. Kommt aus der Ulmenstraße. Eigentlich ist er ein Vampir, aber er arbeitet im Schlachthaus, und deshalb…«
    »Dank ihm für seine Bereitschaft und schick ihn heim, Feldwebel.«
    Colon sah zu Angua.
    »Ja, Herr, in Ordnung«, sagte er widerstrebend. »Weißt du, eigentlich gibt es mit ihm gar keine Probleme, er braucht nur zusätzliche Homogoblins im Blut…«
    »Nein!«
    »Na schön. Ich… äh… sage ihm also, daß er nach Hause gehen soll.«
    Colon schloß die Tür. Sie knarrte
spöttisch.
    »Man nennt dich ›Herr‹«, meinte Angua. »Ist dir das aufgefallen?«
    »Ja. Und es ist nicht richtig. Es wäre besser, wenn die Leute für sich selbst denken würden. Diesen Standpunkt vertritt Hauptmann Mumm. Das Problem mit den Leuten ist, daß sie nur dann für sich selbst denken, wenn man sie dazu auffordert. Wie schreibst du ›Eventualität‹?«
    »Ich würde darauf verzichten, ein solches Wort zu schreiben.«
    »Gut.« Karotte drehte sich noch immer nicht um. »Ich schätze, wir können die Ruhe in der Stadt auch für den Rest der Nacht gewährleisten. Alle sind zur Vernunft gekommen.«
    Nein, das sind sie nicht, widersprach Angua in Gedanken. Sie haben dich gesehen. Und das ist wie Hypnose.
    Die Leute versuchen, deiner Vision gerecht zu werden. Du träumst wie der Große Fido. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Fido träumt einen Alptraum, und du träumst für alle. Du bist wirklich davon überzeugt, daß jeder von Natur aus gut ist. Und die Leute glauben es ebenfalls, solange sie in deiner Nähe sind.
    Draußen erklang rhythmisches Knirschen. Detritus’ Truppe drehte eine weitere Runde.
    Angua gab sich einen inneren Ruck. Früher oder später mußte er Bescheid wissen.
    »Karotte?«
    »Hmm?«
    »Weißt du, warum Knuddel, der Troll und ich zur Wache kamen?«
    »Ja, natürlich. Ihr repräsentiert Minderheiten: ein Troll, ein Zwerg und eine Frau.«
    »Oh.« Angua zögerte. Draußen schien noch immer der Mond. Sie konnte Karotte alles sagen, anschließend hinauslaufen, sich
verwandeln
und bis zum Morgengrauen ein ganzes Stück von der Stadt entfernt sein. Mit der Flucht aus Städten hatte sie Erfahrung.
    »Die Sache ist ein wenig anders«, sagte sie. »Weißt du, es gibt viele Untote in der Stadt, und der Patrizier meinte…«
    »Gib ihr einen Kuß«, warf der unterm Bett liegende Gaspode ein.
    Angua erstarrte. In Karottes Gesicht zeigte sich die typische Verwirrung eines Mannes, der etwas gehört hat, das sein Gehirn für unmöglich hält. Seine Wangen röteten sich.
    »Gaspode« entfuhr es Angua auf Hundisch.
    »Keine Sorge, ich kenne mich aus mit solchen Dingen«, lautete die Antwort. »Ein Mann, eine Frau. Es ist praktisch Schicksal.«
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte Angua.
    »Äh. Bitte bleib…«
    »Nimm sie in die Arme«, ließ sich Gaspode vernehmen.
    Es geht nicht gut, fuhr es Angua durch den Sinn. Es kann nicht gutgehen. Werwölfe brauchen die Gesellschaft anderer Werwölfe, weil nur sie verstehen…
    Da sie aber ohnehin weglaufen mußte…
    Sie hob die Hand.
    »Einen Augenblick«, sagte sie, griff unters Bett und packte Gaspode im Genick.
    »Du brauchst mich!« winselte der Hund, als Angua ihn zur Tür trug. »Er hat doch überhaupt keine Ahnung. Seine Vorstellung von Vergnügen besteht darin, dir den Koloß von Morpork zu zeigen. Laß mich…«
    Die Tür fiel ins Schloß, und Angua lehnte sich dagegen.
    Vermutlich endet es genauso wie in Pseudopolis und Quirm und…
    »Angua?« fragte Karotte.
    Sie drehte sich um.
    »Sag nichts«, kam sie ihm zuvor. »Dann klappt’s vielleicht.«
    Nach einer Weile quietschten die Federn des Bettes.
    Noch etwas später bewegte sich die Scheibenwelt für Korporal Karotte. Und sie wollte gar nicht wieder zur Ruhe kommen.
     
    Korporal Karotte erwachte gegen vier Uhr, zu jener geheimen Stunde, die nur den Bewohnern der Nacht bekannt ist: Verbrechern, Polizisten und anderen Außenseitern. Er drehte sich auf seiner Hälfte des schmalen Bettes um und starrte an

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