Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sprang über die nächste Gasse hinweg, bevor sich der rote Schleier vor Gaspodes Augen auflöste.
    Der spuckte das Halsband des Großen Fido aus. Es rutschte die Schieferplatten hinunter und über den Dachrand.
    »Oh, danke!« rief er. »Herzlichen Dank! Ja, laß mich ruhig allein! Obwohl ich ein krankes Bein habe! Mach dir nur keine Sorgen um mich! Wenn ich Glück habe, stürze ich in den Tod, bevor ich verhungere. Das ist die Geschichte meines Lebens! Du und ich, Mädchen! Wir hätten es zusammen geschafft!«
    Er drehte sich um und sah hinüber zu den Hunden jenseits der Leere.
    »Ihr da!« bellte er. »Verschwindet! Kehrt heim! BÖSER HUND!«
    Vorsichtig trippelte er über die andere Seite des Daches. Auch dort gab es eine Gasse – und keine Möglichkeit, nach unten zu klettern. Gaspode setzte den Weg über die Schieferplatten fort, bis er das nächste Gebäude erreichte. Auch dort entdeckte er keine Treppe, aber eine Etage weiter unten einen Balkon.
    »Spielerisches Denken«, murmelte er. »Darauf kommt’s an. Ein Wolf, ein ganz normaler Wolf springt. Und wenn er nicht springen kann, sitzt er fest. Mir dagegen steht überlegene Intelligenz zur Verfügung. Ich kann die Situation sorgfältig analysieren und dann mit Hilfe rationaler Gedanken eine Lösung finden.«
    Gaspode stieß eine Steinfigur neben der Regenrinne an.
    »At ill’t u?«
    »Wenn du mir nicht da runter zu dem Balkon hilfst, pinkel ich dir ins Ohr.«
     
    GROSSER FIDO?
    »Ja?«
    BEI FUSS.
     
    Es entstanden zwei Theorien über den Tod des Großen Fido.
    Die erste basierte auf den Beobachtungen von Gaspode. Sie ging davon aus, daß die sterblichen Überreste des Pudels vom Stinkenden Alten Ron gefunden und an einen Kürschner verkauft wurden. Es dauerte nicht lange, bis der Große Fido in die Welt zurückkehrte – in Form von Ohrwärmern und flauschigen Handschuhen.
    An die zweite Theorie – man könnte sie gewissermaßen als Wunschwahrheit bezeichnen – glaubten alle anderen Hunde. Angeblich überlebte er den Sturz, floh aus der Stadt und erreichte die Berge, wo er kurze Zeit später ein Wolfsrudel anführte, das abgelegene Bauernhöfe überfiel. Diese Theorie machte es erträglicher, in Misthaufen zu wühlen und an Hintertüren zu warten, in der Hoffnung auf den einen oder anderen Bissen. Immerhin vertrieb man sich so nur die Zeit, bis der Große Fido zurückkehrte.
    Sein Halsband wurde an einem geheimen Ort aufbewahrt, und die Hunde besuchten es regelmäßig – bis sie es vergaßen.
     
    Feldwebel Colon schob die Tür mit der Pike auf.
    Vor langer Zeit hatte es im Kunstturm einmal Etagen gegeben. Jetzt war er hohl bis ganz nach oben. Durch die alten Schießscharten schoben sich goldene Lichtbalken. Staubflocken funkelten darin.
    Einer von ihnen schien auf etwas, das bis vor kurzer Zeit Oberobergefreiter Knuddel gewesen war.
    Colon stieß den Körper behutsam an. Er rührte sich nicht. Wer sich in einem solchen Zustand befand,
sollte
sich auch gar nicht bewegen. Eine Axt mit gesplittertem Schaft lag neben ihm.
    »O nein«, hauchte der Feldwebel.
    Ein dünnes Seil – von der Art, wie es Assassinen verwendeten – hing von der Falltür ganz oben herab. Es erzitterte immer wieder. Colon hob den Blick und zog sein Schwert.
    Er konnte bis ganz nach oben sehen und wußte daher, daß sich niemand an dem Seil festhielt. Das bedeutete…
    Er drehte sich nicht um, was ihm das Leben rettete.
    Colon warf sich zu Boden, gleichzeitig krachte hinter ihm das Gfähr. Nachher schwor er, deutlich gespürt zu haben, wie der Bleiklumpen dicht über seinen Kopf hinwegraste.
    Eine Gestalt trat aus dem Rauch und schlug hart zu, bevor sie durch die Tür in den Regen entkam.
     
    OBEROBERGEFREITER KNUDDEL?
    Knuddel erhob sich und starrte auf sein leibliches Selbst herab.
    »Oh«, sagte er. »Nach den ersten dreißig Metern kamen mir Zweifel, ob ich den Sturz überleben würde.«
    DIE ZWEIFEL WAREN BERECHTIGT.
    Die unwirkliche Welt der Lebenden löste sich bereits auf. Knuddel betrachtete das, was von seiner Axt übriggeblieben war. Sie schien ihn weitaus mehr zu beunruhigen als die Überreste eines Zwergs namens Knuddel.
    »Die Axt stammt von meinem Vater«, brummte er. »Sieh nur, was aus ihr geworden ist. Damit blamiert man sich im Jenseits!«
    BEGRÄBT MAN EUCH ETWA MIT WAFFEN?
    »Weißt du das nicht? Du bist doch der Tod, oder?«
    DAS MUSS NICHT UNBEDINGT HEISSEN, DASS ICH ÜBER ALLE BEISETZUNGSTRADITIONEN BESCHEID WEISS. FÜR GEWÖHNLICH BEGEGNE ICH DEN LEUTEN,

Weitere Kostenlose Bücher