Helle Barden
BEVOR MAN SIE BEGRÄBT. VON DEN PERSONEN, DIE ICH ERST NACH IHREM BEGRÄBNIS BESUCHE… SIND DIE MEISTEN ZIEMLICH NERVÖS UND ABGENEIGT, GEWISSE DINGE ZU ERKLÄREN.
Knuddel verschränkte die Arme.
»Ohne ordentliches Begräbnis lehne ich es ab, ins Jenseits zu wechseln«, sagte er fest. »Meine gequälte Seele wird in Pein über die Welt wandeln.«
SIE MUSS ES NICHT.
»Aber sie kann, wenn sie will«, erwiderte der Geist von Knuddel scharf.
»Detritus! Du hast jetzt keine Zeit zu nässen! Zum Turm! Und nimm einige Männer mit!«
Mumm hatte sich den Patrizier über die Schulter gelegt und erreichte nun die Tür des Großen Saals, dicht gefolgt vom wankenden Karotte. Die Zauberer drängten sich vor dem Portal. Erste große Regentropfen zischten leise auf den heißen Steinen.
Ridcully rollte die Ärmel hoch.
»Heiliger Strohsack! Was ist mit seinem Bein passiert?«
»Das hat er dem Gfähr zu verdanken! Kümmere dich um ihn. Und auch um Korporal Karotte!«
»Nicht nötig«, sagte Lord Vetinari. Er lächelte und versuchte aufzustehen. »Es ist nur eine Fleischwun…«
Sein Bein gab unter ihm nach.
Mumm blinzelte. Damit hatte er nicht gerechnet. Der Patrizier war nie überrascht und wußte immer eine Antwort. Mumm ahnte, daß die Geschichte außer Rand und Band geriet, hin und her zappelte…
»Wir werden damit fertig«, meinte Karotte. »Ich habe Wächter auf die Dächer geschickt und…«
»Sei still! Du bleibst hier – das ist ein Befehl!« Mumm griff in die Tasche, holte seine Dienstmarke hervor und steckte sie an seine zerrissene Jacke. »He, du… Pyjama! Ich brauche ein Schwert!«
Pyjama wirkte mißmutig.
»Ich nehme nur Befehle von Korporal Karotte entgegen…«
»Gib mir sofort ein Schwert, du schrecklicher kleiner Mann! In Ordnung! Danke! Und jetzt zum Tu…«
Eine große Gestalt erschien in der Tür.
Detritus kam herein.
Mumm und die anderen sahen, was er in den Armen hielt.
Vorsichtig legte er es auf eine Sitzbank, schlurfte dann fort und hockte sich in einer Ecke nieder. Während die anderen auf die sterblichen Überreste des Oberobergefreiten Knuddel starrten, nahm der Troll den Kühlhelm ab und drehte ihn hin und her.
»Er lag auf dem Boden«, sagte Feldwebel Colon. Er lehnte am Türrahmen. »Er muß von ganz oben heruntergefallen sein. Und es war noch jemand im Turm. Er hat sich an einem Seil herabgehangelt und mir eins auf den Kopf verpaßt.«
»Es ist nicht richtig, für nur einen Königsshilling zu sterben«, murmelte Karotte.
Das mit dem Drachen war besser, dachte Mumm. Er tötete, aber er blieb ein Drache. Er suchte einen anderen Ort auf, doch es war ganz klar: Der Drache ist ein Drache. Er konnte nicht einfach über die Mauer springen und jemand anders werden. Man wußte immer, gegen was man kämpfte. Man brauchte nicht…
»Was hat Knuddel da in der Hand?« fragte er und begriff erst jetzt, daß er eine ganze Zeitlang darauf hinabgesehen hatte, ohne es zur Kenntnis zu nehmen.
Er zog daran und sah einen schwarzen Stoffstreifen.
»Assassinen tragen so etwas«, stellte Feldwebel Colon fest.
»Und viele andere Leute«, warf Ridcully ein. »Schwarz ist schwarz.«
»Ja«, bestätigte Mumm. »Auf dieser Grundlage etwas zu unternehmen, wäre sicher übereilt. Dafür könnte ich vom Dienst suspendiert werden.«
Er winkte mit dem Streifen vor Vetinaris Augen.
»Überall Assassinen«, sagte er. »Und sie
wachen.
Aber offenbar haben sie nichts bemerkt. Du hast ihnen das verdammte Gfähr gegeben, weil du glaubtest, bei ihnen wäre es besonders gut aufgehoben. Wieso bist du nie auf den Gedanken kommen, es der Wache zu überlassen?«
»Sollten wir nicht die Verfolgung aufnehmen, Korporal Karotte?« fragte Pyjama.
»Wen willst du verfolgen?« erwiderte Mumm. »Und wohin? Der Unbekannte hat den alten Fred niedergeschlagen und sich dann aus dem Staub gemacht. Vielleicht ist er um die nächste Ecke gelaufen, um das Gfähr über eine Mauer zu werfen. Wie sollen wir ihn dann identifizieren? Wir wissen nicht, wer für diese ganze Sache verantwortlich ist.«
»Ich weiß es«, sagte Karotte.
Er stand auf und hielt seine schmerzende Schulter.
»Laufen ist ganz einfach«, fuhr er fort. »Wir alle sind ziemlich viel gelaufen. Aber bei der Jagd verhält man sich anders: Man wartet an der richtigen Stelle. Hauptmann, ich halte es für angebracht, daß der Feldwebel überall erzählt, wir hätten den Mörder gefaßt.«
»Was?«
»Er heißt Edward d’Eath. Die Leute sollen glauben, daß
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