Helle Barden
sah auf den Leichnam des Professors hinab, dann wanderte sein Blick zum Gfähr. Er bückte sich, um es aufzuheben…
Im letzten Augenblick zog er die Hand zurück.
Nicht einmal den Zauberern stand so ein Ding zur Verfügung. Nach einer thaumaturgischen Entladung des Zauberstabs mußten sie sich hinlegen und ausruhen.
Kein Wunder, daß es niemand fertiggebracht hatte, dieses Objekt zu zerstören. Es war einfach zu perfekt. Es berührte etwas in der Seele. Man brauchte es nur in die Hand zu nehmen, und schon besaß man
Macht.
Das Gfähr barg viel mehr Macht als ein Bogen oder Speer – diese Dinge erweiterten nur die Muskelkraft. Das Gfähr hingegen gab einem Macht
von außen.
Man benutzte es nicht; man
wurde
von ihm benutzt. Kreuz war vermutlich ein guter Mann gewesen. Wahrscheinlich hatte er Edward freundlich zugehört und anschließend das Gfähr genommen – dann hatte er dem Gfähr gehört.
»Hauptmann Mumm? Ich glaube, wir sollten jetzt besser gehen.« Karotte bückte sich.
»Rühr das Ding auf keinen Fall an!« warnte Mumm.
»Warum denn nicht? Es ist doch nur ein Objekt.« Karotte ergriff das Gfähr am Lauf, betrachtete es zwei oder drei Sekunden lang und schmetterte es dann an die Wand. Metallteile flogen davon.
»Das einzige Exemplar seiner Art«, murmelte er. »Wenn etwas einzigartig ist, stellt es immer etwas Besonderes dar – diesen Standpunkt vertritt mein Vater. Gehen wir.«
Er öffnete die Tür.
Er schloß sie wieder.
»Am Fußende der Treppe haben sich mindestens hundert Assassinen versammelt«, sagte Karotte.
»Wie viele Bolzen hast du noch für deine Armbrust?« fragte Mumm, der noch immer auf das inzwischen krumme Gfähr hinabstarrte.
»Einen.«
»Dann kann’s dich kaum stören, wenn du keine Gelegenheit zum Nachladen bekommst.«
Jemand klopfte höflich an die Tür.
Karotte sah Mumm an, der mit den Schultern zuckte. Er öffnete.
Witwenmacher stand im Flur und hob eine leere Hand.
»Ihr könnt eure Waffen einstecken. Ich versichere euch, daß ihr sie nicht brauchen werdet. Wo ist Professor Kreuz?«
Karotte deutete in die entsprechende Richtung.
»Ah.« Witwenmacher musterte die beiden Wächter nacheinander.
»Bitte, laßt die Leiche hier. Wir inhumieren den Professor in unserer Gruft.«
Mumm zeigte auf den toten Chefassassinen.
»Er hat mehrere Personen
ermordet…
«
»Und jetzt lebt er nicht mehr. Bitte, verlaßt das Gebäude.«
Witwenmacher zog die Tür weiter auf. Assassinen säumten die breite Treppe. Nirgends war eine Waffe zu sehen. Was bei Assassinen allerdings nicht viel zu bedeuten hatte.
Ganz unten lag Anguas Leichnam. Karotte hob ihn hoch, als Mumm und er das Ende der Treppe erreichten.
Er nickte Witwenmacher zu. »Wir schicken jemanden, der die sterblichen Überreste des Gildenoberhaupts holt«, sagte er.
»Wir haben doch vereinbart…«
»Nein. Die Leute sollen sehen, daß Kreuz tot ist. Alle sollen sich davon überzeugen können. Die Dinge dürfen nicht länger im Dunkeln hinter geschlossenen Türen passieren.«
»Ich fürchte, ich kann nicht auf deine Bitte eingehen«, erwiderte Witwenmacher fest.
»Es war auch keine Bitte.«
Dutzende von Assassinen beobachteten, wie die beiden Wächter über den Hof schritten.
Das schwarze Tor blieb geschlossen.
Niemand schien es öffnen zu wollen.
»Ich bin ganz deiner Meinung, aber vielleicht wären taktvollere, diplomatischere Worte angebrachter gewesen«, sagte Mumm. »Diese Leute wirken nicht sehr fröhlich…«
Das Tor zerbarst. Ein fast zwei Meter langer Bolzen aus Eisen raste an Karotte und Mumm vorbei und zerschmetterte eine Mauer auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes.
Zwei wuchtige Hiebe erledigten den Rest des Portals, und Detritus stapfte über die Trümmer hinweg. Mit einem roten Glühen in den Augen sah er zu den in Schwarz gekleideten Gestalten und grollte.
Die klügeren Assassinen dachten daran, daß es in ihrem Waffenarsenal nichts gab, das einen Troll töten konnte. Sie verfügten über erlesene Stilette, doch in diesem Fall benötigten sie Vorschlaghämmer. Sie besaßen Pfeile mit exotischen Giften, aber keins davon wirkte bei einem Troll. Niemand hatte es für möglich gehalten, daß Trolle jemals wichtig genug werden konnten, um sie töten zu müssen. Detritus gewann gerade enorm an Bedeutung. In der einen Hand hielt er Knuddels Axt, in der anderen eine gewaltige Armbrust.
Einige der gescheiteren Assassinen drehten sich um und ergriffen die Flucht. Nicht alle erwiesen sich als so
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